„Das Zukunftskolleg stellt ein Fundament zur Verfügung, auf dem man weiter aufbauen kann. Erst wenn man ein paar Jahre am Stück Zeit hat, sich auf die Forschung zu konzentrieren, kann sich Kreativität entfalten.“
Der Chemiker Dr. Thomas Böttcher hat sich von den USA aus die Universität Konstanz als Wunschuniversität ausgesucht – Hier berichtet der Emmy Noether-Stipendiat, welche Rolle das Zukunftskolleg dabei gespielt hat und wie die Einrichtung Kreativität fördert.
Ich bin 2014 an die Universität Konstanz gekommen. Zuvor war ich Postdoc an der Harvard Medical School in Boston. Um meine Karriere in Deutschland fortzusetzen, habe ich mir mehrere Universitäten näher angeschaut. Gleichzeitig habe ich mich um eine Förderung durch das Emmy Noether-Programm der DFG beworben. In Konstanz gab es als Nachwuchswissenschaftler die besten Möglichkeiten für alle Eventualitäten.
Ich wusste ja nicht, ob ich die Emmy Noether-Förderung erhalten würde. Wenn es nicht klappt, muss man einen Plan B oder sogar Plan C in der Tasche haben. Das geht nur, wenn es an einer Universität mehrere verschiedene Förderinstrumente gibt. Die Diversität an Möglichkeiten in Konstanz war einfach überzeugend. Hier gab es den SFB 969, die KoRS-CB, den Young Scholar Fund und das Zukunftskolleg, wo gerade Fellowships ausgeschrieben wurden, auf die sich alle Nachwuchsforschenden, die noch keine Dauerstelle haben, bewerben können.
Wenn es mit dem Emmy Noether-Programm nicht geklappt hätte, hätte ich immerhin über diese die Möglichkeit gehabt, eine eigene, wenn auch kleinere Forschungsgruppe aufzubauen. Das gibt zu mindestens etwas Planungssicherheit. Als ich das Interview für ein 5-Jahres-Fellowship im Zukunftskolleg hatte, erreichte mich tags zuvor der positive Förderentscheid, dass mein Emmy Noether-Projekt bewilligt wurde. So war meine eigene Stelle schon finanziert.
Es ist aber auch entscheidend, dass das Zukunftskolleg Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler fördert, die keine anderweitige Stelle einwerben konnten. Das Zukunftskolleg stellt damit ein Fundament zur Verfügung, auf dem man weiter aufbauen kann. Erst wenn man ein paar Jahre am Stück Zeit hat, sich auf die Forschung zu konzentrieren, kann sich Kreativität entfalten. Wenn ich von einem Förderantrag zum nächsten denken muss, kann ich nicht in dem Ausmaß Kreativität ausleben, als wenn ich für ein paar Jahre Ruhe habe und weiß, dass ich die finanzielle Ausstattung für die Umsetzung kreativer Projekte habe.
Mit der engen Verknüpfung zwischen Chemie und Biologie an der Universität Konstanz, sind noch zusätzliche Anreize geboten, auch Kooperationen einzugehen. Ich habe relativ schnell Fuß gefasst und meine Arbeitsgruppe aufbauen können. Gleich bei meinem Bewerbungsgespräch für das Zukunftskolleg habe ich Dennis Gebauer kennengelernt. Bei der Gelegenheit haben wir vereinbart: Falls wir das Fellowship kriegen, machen wir etwas zusammen.
Das mit dem Fellowship hat dann ja auch bei uns beiden geklappt. Wir wollten uns gemeinsam anschauen, wie Bakterien die Bildung von anorganischen Mineralien beeinflussen können. Das ist dann auch zustande gekommen. Allein hätten wir das wahrscheinlich nie gemacht. Gleichzeitig haben sich Kooperationen in der Biologie und Chemie aufgetan, vor allem mit der Biologie.
Zum Beispiel mit Christof Hauck, der schon lange zu den krankheitserregenden Neiserien, den Erregern der Gonorrhoe, forscht. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Christof Hauck haben wir einen antibiotischen Wirkstoff gefunden, mit dem wir diese Pathogene extrem selektiv ausschalten können.
Dieser Wirkstoff stammt ursprünglich aus anderen Bakterien, die mit uns Menschen zusammenleben. Wir untersuchen also, wie sich Bakterien gegeneinander chemisch verteidigen und wie wir diese Stoffe nutzbar machen könnten. Dies könnte zukünftig zu maßgeschneiderten Antibiotika für eine personalisierte Medizin führen.
Die Forschungsrichtung unserer Arbeitsgruppe würde ohne diese Kooperationen definitiv anders aussehen. Vieles davon wäre nicht möglich. Auch zum Beispiel mit Thomas Brunner, Marcus Groettrup und Marcel Leist machen wir vielversprechende Projekte, die unsere langfristige Strategie wesentlich mitbestimmt haben.
Die Forschungsgruppe von Thomas Böttcher konzentriert sich auf bakterielle Naturstoffe. Das besondere Interesse gilt dabei chemischen Signalen und Stoffwechselprodukten, welche die Interaktion von Bakterien untereinander kontrollieren.
Thomas Böttcher und sein Team möchten somit die chemischen Wechselwirkungen von Mikroorganismen im Menschen besser verstehen. Diese Vorgänge chemisch zu manipulieren und damit neuen Strategien zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu entwickeln ist ein weiteres Ziel der Arbeitsgruppe.
Der Forschungsschwerpunkt hat sich seit unserem Start hier in Konstanz etwas stärker auf den Menschen fokussiert. Wir möchten die Interaktionen zwischen Mensch und Mikrobe sowie zwischen unterschiedlichen Mikroben im Menschen besser verstehen und ausloten, wie man das durch synthetische Moleküle steuern kann.
Das Zukunftskolleg lebt eine Atmosphäre des interdisziplinären Austauschs und der Kreativität. Gleichzeitig sind die Fellows im Zukunftskolleg sehr eng mit ihren Fachbereichen verbunden. Meine Labore zum Beispiel sind in der Chemie verankert. Das ist für meine Forschung essentiell. Im Zukunftskolleg treffen sich hingegen unterschiedlichste Disziplinen. Man hat hier sozusagen eine zweite Heimat. Es ist einfach schön, über die Fächergrenzen hinaus zu diskutieren.
Im Jour fixe gibt es die Möglichkeit, einen Abriss zu der eigenen Forschung zu präsentieren. Das ist sehr hilfreich, weil ich mir erarbeiten muss, wie ich Wissenschaft so kommuniziere, dass es auch jemand Fachfremdes versteht. Es braucht dafür eine ganz andere Herangehensweise, als wenn ich meine Forschung in meinem Fachbereich präsentiere. Natürlich ist das auch hilfreich für das Schreiben von Förderanträgen und die Kommunikation in die Öffentlichkeit. Umgekehrt erhält man Einblicke in Gebiete, die man normalerweise gar nicht berühren würde. Das ist ein sehr inspirierender Austausch, eine Ideenfabrik, eine einfach einmalige Sache.
Von großem Wert ist auch, durch ein unkompliziertes Antragsformat für neue Ideen finanzielle Unterstützung zu bekommen. Im Zukunftskolleg ist es so: Wenn einem heute etwas einfällt, kann man morgen einen Antrag schreiben und vielleicht eine Hilfskraft, Chemikalien oder ein Gerät finanzieren. So kann man auch Pilotprojekte durchführen. Gerade hinsichtlich Kreativität ist das ein perfektes Instrument, riskante und verrückte Ideen auch mal umzusetzen.
Katalysiert durch die fantastischen Bedingungen an der Universität Konstanz haben wir unsere Forschungsrichtung aufgebaut. Ich blicke mit Optimismus auf die zukünftigen Entwicklungen.
Fachbereich Chemie
Thomas Böttcher ist seit 2014 Nachwuchsgruppenleiter im Konstanzer Fachbereich Chemie. Er ist Mitglied des Zukunftskollegs der Universität Konstanz und Fellow des Emmy Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Gefördert wird seine Forschung außerdem von der Baden-Württemberg Stiftung und der Vector Stiftung.
Im Mai dieses Jahres wird ihm für seine Arbeiten von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften der Manfred-Fuchs-Preis verliehen. Vor seiner Zeit in Konstanz forschte er drei Jahre lang als Postdoc an der Harvard Medical School in Boston, USA. Von 2010 bis 2014 war er Mitgründer und wissenschaftlicher Berater des Start up AVIRU in München.
Das Zukunftskolleg
Das Zukunftskolleg ist eine Forschungseinrichtung der Universität Konstanz zur Förderung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fachbereiche in der Phase zwischen Promotion und Professur. Ziel ist, junge wissenschaftliche Talente auf ihrem Karriereweg zu unterstützen, eine kreative, interdisziplinäre, internationale und generationenübergreifende Gemeinschaft zu schaffen und die frühe Unabhängigkeit der Fellows zu garantieren.
Das Zukunftskolleg wird finanziert durch die Mittel der Exzellenzinitiative. Seit 2018 finanziert die Hector-Stiftung II ein Fellowship zur Förderung herausragender NachwuchswissenschaftlerInnen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).
Was macht kreative Wissenschaft aus? Wie kann eine Universität Kreativität unterstützen? Und was kann im besten Fall herauskommen, wenn kreative Wissenschaft auf kreative Rahmenbedingungen trifft? In der Reihe „k wie kreativ – K wie Konstanz" berichten WissenschaftlerInnen, MitarbeiterInnen und Studierende aus ihrer Sicht, was Forschung und Lehre an der Universität Konstanz seit 2007 exzellent macht – bundesweit als eine von nur sechs Universitäten, deren Zukunftskonzepte in beiden Phasen des Exzellenzwettbewerbs gefördert werden.