Interview: Dr. Johannes Dingler
Herr Dingler, Sie haben gerade zum 1000. Mal einen internationalen Gast im Welcome Center begrüßen dürfen, ein Grund zum Feiern?
Ein guter Grund um kurz inne zu halten und auf das seit Gründung des Welcome Centers im August 2008 Geleistete zurückzublicken. Seither ist ja einiges passiert. Gleichzeitig freuen wir uns natürlich auf die kommenden 1.000 Gäste, denn wir haben schon jetzt eine Liste der nächsten 80 Wissenschaftler, die wir in naher Zukunft an der Universität Konstanz begrüßen werden.
Was zeichnet das Konstanzer Welcome Center deutschlandweit aus?
Mein Eindruck ist, dass uns von den anderen Universitäten unser „Full-Service-Konzept“ abgrenzt. Ich glaube, dass unser Anspruch, von zentraler Stelle ein so umfangreiches Angebot wie nur möglich anzubieten, sogar ein Alleinstellungsmerkmal ist. Full Service heißt für uns eine intensive Betreuung der Wissenschaftler in allen Bereichen und über den gesamten Zeitraum ihres Aufenthaltes und darüber hinaus. Also bis nach ihrer Abreise, wenn zum Beispiel nachträglich noch Rechnungen oder Vertragskündigungen anstehen. Darüber hinaus ist unser aktives Fallmanagement etwas Besonderes, wir gehen von uns aus auf unsere Gäste zu, bevor wichtige Termine oder Fristen anstehen, also Visa ablaufen oder Abreisen geplant werden müssen. So ersparen wir unseren Gästen den Ärger mit abgelaufenen Terminen und können rechtzeitig und in Ruhe das Notwendige veranlassen.
Also ein Rundum-Sorglos-Paket für Konstanzer Wissenschaftler?
Ich würde es nicht so nennen, aber genau das ist im Prinzip unsere Idee – und unser Konzept. Natürlich könnten kritische Stimmen auch sagen, wir würden einen „Babysitterservice“ anbieten und unsere Gäste entmündigen, aber wir vertreten nun mal keinen pädagogischen sondern einen Service-Ansatz. Die internationalen Wissenschaftler sollen hier nicht erzogen werden, sondern forschen und einen erfolgreichen und möglichst angenehmen Aufenthalt in Konstanz verbringen. Sie können sich frei für oder gegen unseren Service entscheiden. Man unterschätzt vielleicht auch, wie viel den internationalen Gästen unsere Unterstützung bedeutet: Die meisten wären spätestens bei den Behördengängen hilflos, weil sie sich in deutschen Ämtern auf Englisch nicht verständigen können und die kulturellen Unterschiede nicht verstehen. Unsere Begleitung bietet ihnen Hilfe, Sicherheit und Unterstützung.
Gibt es Grenzen der Betreuung, bei denen das Welcome Center nicht mehr weiterhilft?
Im Prinzip sehen wir keine Grenzen außer wenn wir klar erkennen können, dass uns die Anfrage überfordert oder dass falsche Erwartungen vorherrschen. Neulich hatten wir einen indischen Gastwissenschaftler hier, dessen Frau in Deutschland schwanger wurde und sich von einer meiner Kolleginnen zum Frauenarzt und auch bei der Besichtigung des Kreißsaals begleiten ließ. Stellen Sie sich diese Situation für sich selbst vor und wie dankbar Sie wären, in solchen Momenten muttersprachliche und kompetente Unterstützung zu bekommen. Wir finden deshalb alle Wünsche an uns legitim, was natürlich manchmal auch zu abwegigen Anfragen führt. Einmal wurden wir nach einem Hunde-Babysitter gefragt, mussten aber abwinken, da es den nächsten erst in Stuttgart gibt.
Wie wird das Angebot von den Gästen aufgenommen?
Viele erwarten ein solches Angebot nicht und sind positiv überrascht und sehr dankbar. Natürlich gehört zu der Betreuung auch, dass wir ein enges Vertrauensverhältnis zu den einzelnen Gästen aufbauen, da wir ja über finanzielle, gesundheitliche und alle möglichen individuellen Probleme Bescheid wissen, wenn wir bei Arztbesuchen helfen oder die Kontoeröffnung begleiten. Insgesamt ist es aber ein sehr dankbarer Beruf, weil zunächst wenig erwartet wird und daher alles mit Begeisterung angenommen wird. Der Anspruch an uns selbst ist da natürlich höher.
Wann ist denn nach Ihrem Maßstab ein Fall erfolgreich betreut?
Das fängt schon bei der Wohnungssuche an, die eine der ersten und in Konstanz leider auch eine der schwierigsten Herausforderungen ist. Abgesehen davon, dass das knappe Wohnungsangebot an sich schon schwierig ist, gilt es für uns natürlich auch, auf die unterschiedlichen Vorstellungen zu Budget oder Ausstattung der Unterkunft einzugehen, die sehr verschieden sein können. Aber es gibt auch an sich sehr schwierige Fälle, die unlösbar scheinen und von uns gelöst werden müssen. Neulich wurde uns ein Ehepaar aus dem Iran angekündigt.
Allein die Beschaffung der Visa für die beiden hat über drei Monate gedauert. Im nächsten Schritt stellte sich heraus, dass es für die beiden keine Möglichkeit gab, die vorab notwendige Kaution für die Unterkunft aus dem Iran hierher zu überweisen, auch das haben wir gelöst. Als sie schließlich hier waren und wir ein Konto für sie eröffnen wollten, stellten sich die Banken quer und verwiesen auf Vorschriften, die ein Bankkonto für Iraner in den ersten sechs Aufenthaltsmonaten ausschließen. Letztendlich waren wir auch in diesem Fall darin erfolgreich, ein Konto zu eröffnen. Wenn wir es schaffen, all diese Hürden gemeinsam zu lösen und den Wissenschaftlern gleichzeitig vermitteln können, dass sie trotz dieser Schwierigkeiten hier willkommen sind und die Universität sich auf sie freut – dann haben wir Erfolg!
Welche Pläne haben Sie für das Welcome Center?
Unsere Erweiterungsideen beziehen sich unter anderem auf die Integration der Gäste in Deutschland. Hier besteht nach unseren Erfahrungen eine sehr große Nachfrage. Es gibt verschiedene Bereiche, an denen wir ansetzen wollen. Einmal das Feld der sozialen Integration, in dem wir zwar bereits Veranstaltungen wie einen internationalen Stammtisch oder ein Seminar zum Deutschen Bildungs- und Hochschulsystem anbieten, aber wir können uns da noch weitere Maßnahmen wie ein Tandem- und Mentorenprogramm oder auch Seminare zur interkulturellen Kommunikation oder zu Themen vorstellen in denen wir praktische Informationen zu Deutschland vermitteln. So sind beispielsweise deutsche Öffnungszeiten und Feiertage genauso ein Thema, wie das politische System oder ähnliches. Darüber hinaus möchten wir gerne auch den Bereich der kulturellen, regionalen und schließlich auch der akademischen Integration mit verschiedenen Maßnahmen und Angeboten fördern.
Dr. Johannes Dingler...
leitet das Welcome Center der Universität Konstanz, das seit knapp vier Jahren die Betreuung und Unterstützung internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler übernimmt, die für einen Aufenthalt nach Konstanz kommen. Gerade hat Johannes Dingler gemeinsam mit dem Rektor der Universität, Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Rüdiger, einen Jubiläums-Gast im Welcome Center begrüßt: zum 1000. Mal wurde ein internationaler Gast in Konstanz willkommen geheißen. Derzeit betreut das Welcome Center rund 300 Fälle im Jahr, von denen die meisten aus China, Russland, Indien und den USA an den Bodensee kommen. Insgesamt wurden bisher durch das Welcome Center der Universität Konstanz Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 78 Ländern betreut.