Ziel 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern


Das achte Nachhaltigkeitsziel der UN verbindet zwei nur scheinbar widersprüchliche Dimensionen: menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum. Aus makroökonomischer Perspektive macht diese Verbindung jedoch Sinn: Ein hoher Beschäftigungsstand und stetiges, angemessenes Wirtschaftswachstum sind zwei der vier Kernziele des wirtschaftspolitischen „magischen Vierecks“ (neben stabilen Preisen und einer ausgeglichenen Außenwirtschaft). Das sogenannte Okunsche Gesetz besagt, dass die Ziele sich gegenseitig bedingen, weil Wirtschaftswachstum zu niedriger Arbeitslosigkeit führt – ein allerdings umstrittener Zusammenhang. 

Für viele Kritiker ist Wirtschaftswachstum ein problematisches Ziel, weil es in einem gewissen Widerspruch zum Klimaschutz (Ziel 13) und dem Schutz von Leben unter Wasser (Ziel 14) und an Land (Ziel 15) steht. Umfassendes Wachstum soll daher vor allem den am wenigsten entwickelten Ländern vorbehalten sein. Zudem führt geringe Arbeitslosigkeit natürlich nicht bereits zu menschenwürdiger Arbeit (im Original: „decent work“). „Decent“ meint vielmehr die Achtung der grundlegenden Menschenrechte, wie sie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) als Kernarbeitsnormen ausformuliert hat. Weltweit haben die meisten Staaten diese Normen zwar ratifiziert, ihre Durchsetzung ist aber vor allem in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern oft nicht gewährleistet.

In meinem Forschungsfeld, den globalen Lieferketten, haben Verstöße gegen Menschen- und Arbeitsrechte in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Industrieunfälle wie im Jahr 2013 der Einsturz einer Textilfabrik in Sabhar (Bangladesh) mit über 1.100 Todesopfern zeigen überdeutlich, wie unsere alltäglichen Konsumgüter mit Problemen in der Umsetzung von „decent work“ verbunden sind.

Wir erforschen, wie Unternehmen ihre Verantwortung besser wahrnehmen können, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Manche von ihnen haben bereits begonnen, ähnlich wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eigene Standards und Zertifikate zu entwickeln – mit umstrittenem Erfolg, wie wir feststellen müssen. Die Überprüfung der Einhaltung von Standards wird durch intransparente Zuliefernetzwerke erschwert, und die Programme von multinationalen Unternehmen sind den lokalen Gegebenheiten oft nicht angemessen. Bei diesen lokalen Gegebenheiten und Möglichkeiten heißt es anzusetzen. Unsere Forschung trägt dazu bei, die besten Wege zu identifizieren, wie lokale Kräfte, etwa Gewerkschaften und Verwaltungen, gestärkt werden können, um geltendes Recht durchzusetzen. 

Jun.-Prof Dr. Sebastian Koos ist Juniorprofessor für Corporate Social Responsibility am Fachbereich für Politik- und Verwaltungswissenschaften und Mitglied des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Wirtschafts- und Organisationssoziologie sowie der politischen Soziologie; insbesondere forscht er zu Unternehmensverantwortung, nachhaltigem Konsum, sozialen Bewegungen und Solidarität.


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Jun.-Prof Dr. Sebastian Koos

Von Jun.-Prof Dr. Sebastian Koos - 14.05.2020

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