„Gequetschte“ Zustände neu vermessen

Im Fachbereich Physik der Universität Konstanz wurde eine völlig neue Methode der Messung von Squeezing entwickelt – Grundlage für mögliche Präzisionssensorik
© „Satelliten“ im Spektrum einer schwingenden Nanosaite (unterer Bildeinsatz) für steigende Antriebsstärke. Die unterschiedliche Helligkeit des oberen (grün) und unteren (blau) Satelliten kodiert die Stärke des Squeezing (oberer Bildeinsatz). Bild: AG Weig

„Squeezing“ wird unter anderem in der Physik genutzt, um die Auflösung von Messinstrumenten zu verbessern. Durch dieses – auf Deutsch – „Quetschen“ von Zuständen kann störendes Rauschen unterdrückt werden, wodurch kleinere Signale empfindlicher detektiert werden können. In der Arbeitsgruppe der Physikerin Prof. Dr. Eva Weig an der Universität Konstanz konnte nun gezeigt werden, wie solch ein gequetschter Zustand auf deutlich einfachere Weise als mit der bisherigen Standardmethode gemessen werden kann. Außerdem erlaubt die neue Methode die Untersuchung von gequetschten Zuständen, in denen eine Messung bislang nicht möglich war. Die Forschungsergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe des Journals Physical Review X veröffentlicht.

Squeezing der thermischen Fluktuation einer Nano-Saite

Im Experiment der Arbeitsgruppe für Nanomechanische Systeme wird die sogenannte thermische Fluktuation einer Nano-Saite gequetscht. Die Nano-Saite verhält sich im Grunde wie eine Gitarren-Saite. Die Schwingungseigenschaften sind identisch, nur dass eine Nano-Saite tausendmal dünner und kürzer ist als ein Haar. Solche Nano-Systeme stellen ein vielversprechendes Instrument zur Präzisionsmessung dar, die allerdings bei Zimmertemperatur auf natürliche Weise begrenzt ist. Die Wärmeenergie bewirkt ein thermisches Rauschen, ein Zittern der Saite, wodurch die Messgenauigkeit eingeschränkt wird. Dieses Vibrieren des Systems bei Raumtemperatur ist naturgegeben nicht kontrollierbar, da es auf den Gleichverteilungssatz der Thermodynamik zurückgeht, einem grundlegenden Prinzip der klassischen Physik. Demnach muss thermisches Rauschen in jeder Richtung des sogenannten Phasenraums gleich groß sein, also eine kreisförmige Verteilung bilden.

„Es war vorher theoretisch bekannt, dass das passieren muss, in dieser Deutlichkeit ist es jedoch noch nie nachgemessen worden, weil es ein relativ subtiler Effekt ist“

Prof. Dr. Eva Weig, Physikerin an der Universität Konstanz

Eva Weig und ihre Doktorandin Jana Huber haben auf dieses thermische Rauschen noch einen zusätzlichen starken Antrieb gelegt. Sie haben letztlich die Saite sehr stark angeschlagen. Wird diese dabei weit genug ausgelenkt, verhält sie sich nicht mehr linear. Das heißt, die Kraft, die die Saite auslenkt, ist nicht mehr proportional zur Kraft, die sie in die Ausgangslage zurückzieht. Durch den starken Antrieb verändern sich aufgrund der verursachten Verletzung der Zeitumkehrsymmetrie die thermischen Fluktuationen. Im Phasenraum sehen sie nun nicht mehr aus wie ein Kreis, sondern wie eine Ellipse: Zumindest in einer Richtung wird der Durchmesser, also das Rauschen, deutlich kleiner – er wird gequetscht. „Es war vorher theoretisch bekannt, dass das passieren muss, in dieser Deutlichkeit ist es jedoch noch nie nachgemessen worden, weil es ein relativ subtiler Effekt ist“, erklärt Eva Weig.

Störfaktoren

Die Methode, den gequetschten Zustand direkt im Phasenraum abzubilden, funktioniert jedoch nicht immer. Dies gilt auch für die von den Konstanzer Forscherinnen untersuchte Nano-Saite. Während eine herkömmliche Gitarren-Saite nach dem Anzupfen nur ein paar hundertmal hin und her schwingt, bevor sie wieder zur Ruhe gekommen ist, schwingt eine Nano-Saite über 300.000 Mal. Diese hohe „mechanische Güte“ führt aber auch dazu, dass die Saite sehr empfindlich auf Störungen reagiert, zum Beispiel auf minimale Schwankungen der Temperatur. Die Messung eines gequetschten Zustands als Ellipse im Phasenraum ist damit nicht möglich.

Jana Huber verfolgt mit ihrer Messung daher ein anderes Konzept. Das Rauschen wird nicht im ganzen Phasenraum untersucht, sondern lediglich spektral, also nach den darin auftretenden Frequenzen, aufgelöst. Neben der Antriebsfrequenz zeigen sich im Spektrum noch zwei weitere Frequenzen links und rechts vom Antrieb, die dem thermischen Rauschen zugeordnet sind. Die theoretischen Physiker Dr. Gianluca Rastelli und Prof. Dr. Wolfgang Belzig von der Universität Konstanz, sowie Prof. Mark Dykman von der Michigan State University (USA), die ebenfalls an der Arbeit beteiligt sind, haben genau dieses Auftreten weiterer Frequenzen vorhergesagt. „So schön gesehen hat sie aber noch niemand. Das hat damit zu tun, dass bei uns die mechanische Güte so hoch ist, dass wir kristallklar auflösen konnten“, sagt Eva Weig.

So ist auch zum ersten Mal zu erkennen, dass diese beiden Satellitensignale unterschiedlich hoch sind. In enger Zusammenarbeit mit Gianluca Rastelli konnte Jana Huber zeigen, dass der Unterschied in der Intensität dieser beiden Satelliten – das Verhältnis der beiden Flächeninhalte – ein direktes Maß für den Squeezing-Parameter ist, also dafür, wie stark der Zustand gequetscht ist.

„Radikal simpel“

„Radikal simpel“, nennen die Physikerin Eva Weig und der Physiker Mark Dykman die Methode, die Squeezing-Messungen nicht nur in mechanischen Systemen wie hier, sondern in einer großen Breite von Systemen ermöglichen – Hauptsache, sie sind von hoher Güte und haben einen starken Antrieb. Selbst mit quantenmechanischen Systemen gibt es Verknüpfungen.

Darüber hinaus gibt es eine „bestechende Übereinstimmung zwischen Experiment und Theorie“, wie Eva Weig und Wolfgang Belzig einstimmig betonen. Das an der Universität Konstanz und an der Michigan State University entwickelte Modell passt hundertprozentig zu den gemessenen Daten.

Mit finanzieller Unterstützung durch das europäische FET Proactive-Projekt HOT (732894), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des QuantERA-Projekts QuaSeRT (13N14777), sowie den Sonderforschungsbereich SFB 767 „Controlled Nanosystems“ der Universität Konstanz. Mark Dykmans Forschung wird durch die National Science Foundation (Grant No. DMR-1806473) gefördert. Er ist Senior Fellow des Zukunftskollegs der Universität Konstanz.

Dr. Maria Schorpp

Von Dr. Maria Schorpp - 24.06.2020