ERC Consolidator Grants für Meg Crofoot und Timo Müller
Prof. Dr. Meg Crofoot und Prof. Dr. Timo Müller, Biologin bzw. Literaturwissenschaftler der Universität Konstanz, erhalten je einen ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrats und damit eine fünfjährige Forschungsförderung. Im Projekt „CO-SLEEP“ entwickelt Meg Crofoot eine neue Perspektive der Schlafforschung: Sie untersucht mit ihrem Team den sozialen Aspekt des Schlafs als Gruppenverhalten. Sie kombiniert dabei klassische Methoden der Feldforschung mit modernsten Technologien, um freilebende Paviane in Kenia zu untersuchen.
Das Forschungsthema von Timo Müllers Projekt „Off the Road: The Environmental Aesthetics of Early Automobility“ ist die Frühphase der Automobilität, verstanden als ästhetische Erfahrung. Das interdisziplinäre Kooperationsprojekt von Timo Müller mit Forschenden der Wissens- und Umweltgeschichte trägt ein Korpus amerikanischer Literatur über Automobilität zusammen und analysiert deren spezielle Wahrnehmung der Umwelt.
CO-SLEEP – die sozialen Aspekte des Schlafs
Wie lösen Tiere, die in Gruppen leben, ihre Interessenskonflikte, um gemeinsame Ziele zu erreichen? Wie treffen Gruppen Entscheidungen, und gibt es universelle Regeln, nach denen sich Tiergesellschaften organisieren? Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich Meg Crofoot in ihrer Forschung. Sie ist Professorin für Organismal Interactions am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz, Alexander-von-Humboldt-Professorin und Direktorin der Abteilung für Ökologie der Tiergesellschaften am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie.
Mit ihrem Projekt „CO-SLEEP“, das nun mit einem ERC Consolidator Grant in Höhe von 2,9 Millionen Euro gefördert wird, möchte Meg Crofoot unsere Vorstellung von Schlaf verändern – sowie die Art und Weise, wie wir ihn erforschen. „Tiere, die in Gruppen leben, schlafen nicht isoliert. Weil aber die meiste Schlafforschung in Laborumgebung stattfindet, wissen wir so gut wie nichts über die sozialen Aspekte des Schlafs“, schildert Crofoot.
Ihr Projekt CO-SLEEP verfolgt daher das Ziel, die Erforschung von Schlafverhalten in den Kontext des Gruppenverhaltens zu rücken.
„Mein Ziel ist zu verstehen, wie soziale Rahmenbedingungen die Schlafmuster in der Gruppe formen – und von ihnen geformt werden. Um dies herauszufinden, müssen wir die Schlafforschung aus dem Labor herausholen und ins freie Feld versetzen.“
erklärt Crofoot.
Feldforschung mithilfe modernster Technologie
Zu diesem Zweck kombinieren Meg Crofoot und ihr Team klassische Methoden der Feldforschung mit modernsten Technologien, um freilebende Paviane in Kenia zu untersuchen. Dazu gehören Halsbänder mit miniaturisierten GPS-Sendern und Beschleunigungssensoren, welche die Bewegungsdaten einzelner Tiere aufzeichnen. Ebenso kommen Wärmebildkameras für die nächtliche Verhaltensbeobachtung zum Einsatz. Auf diese Weise sollen die Bewegungsmuster und das Schlafverhalten von bis zu 30 Pavian-Gruppen gleichzeitig erfasst werden. Das entspricht in etwa 900 Tiere – eine bisher beispiellose Größenordnung für eine derartige Feldstudie.
© Carter Loftus / Max Planck Institute of Animal BehaviorAufnahme einer Wärmebildkamera
Mithilfe hochentwickelter Computermodelle werden die Forschenden die gesammelten Daten analysieren. Auf diese Weise ergründen sie, wie das komplexe soziale Gefüge das individuelle und kollektive Schlafverhalten beeinflusst – und wie sich dieses wiederum auf die sozialen Dynamiken auswirkt. „Das Projekt hat das Potenzial, eine völlig neue Perspektive auf die sozialen und ökologischen Abwägungen zu geben, die in Sozialverbänden lebende Arten – wie auch der Mensch – treffen müssen, um ihr grundlegendes Schlafbedürfnis zu befriedigen“, schließt Meg Crofoot.
„Off the Road: The Environmental Aesthetics of Early Automobility“
In Zeiten der Klimakrise besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Automobilität umweltfreundlicher gedacht werden muss als bisher. Das Projekt „Off the Road: The Environmental Aesthetics of Early Automobility“ von Timo Müller geht davon aus, dass dazu ein Wandel in der kollektiven Wahrnehmung nötig ist. Dazu soll „Off the Road“ beitragen, das die weitgehend vergessene Tatsache hervorhebt, dass die frühe Automobilität eine ökologische Erfahrung war, die sich durch ihre intensive Auseinandersetzung mit der Umwelt auszeichnete.
Im Gegensatz nämlich zu den heutigen geschlossenen Autos auf Asphaltstraßen war bei den frühen Automobilen nicht einmal ein Dach vorgesehen. Hinzu kam, dass die damaligen Landstraßen zumeist aus Erde, Kies oder Sand bestanden. Wer außerhalb der Stadt mit dem Auto vorankommen wollte, musste die Umweltbedingungen gut kennen.
Eine neue Art von Umwelterfahrung
„Wir gehen in ‚Off the Road‘ davon aus, dass die frühe Automobilität einerseits eine andere Art von Umwelterfahrung als die heutige bewirkte, andererseits aber zu unserem heutigen Verständnis von Umwelt beitrug, indem die Technologie einen neuen Zugang zur Natur ermöglichte.“
Timo Müller
Für die Erforschung dieser Natur- und Umweltwahrnehmung nutzt das kulturwissenschaftliche Projekt die frühe amerikanische Literatur zum Thema Automobilität, die bisher noch kaum erschlossen ist. Der zu untersuchende Zeitraum erstreckt sich von 1890, den Anfängen des Automobils in den USA als Verkehrsmittel, bis in die späten 1920er Jahre, als asphaltierte Straßen und geschlossene Autos die Norm wurden.
Für die Herausarbeitung der frühen Wahrnehmung von Automobilität und Natur konzentrieren sich die Forschenden vor allem auf Erzähltexte und Gedichte, da diese Texte sinnliche Erfahrungen in komplexe ästhetische Strukturen überführen. Zum Beispiel verstanden sich frühe Automobilisten als Pfadfinder, die bei ihren Überlandfahrten im buchstäblichen Sinne erst einmal die Straße finden mussten. Timo Müller: „Die Menschen agierten auf der direkt-körperlichen Ebene mit der Umwelt und kamen oft schmutzig am Ziel an. Dadurch haben wir eine sehr reichhaltige Bildsprache in den Texten.“
Ein neues Textkorpus wird erschlossen
„Off the Road“ wird eine bislang einzigartige Textsammlung zur frühen Automobilität zusammentragen. Wobei dem Projekt zugutekommt, dass große Teile der Literatur bereits digitalisiert sind bzw. werden. Ziel ist eine interaktive Online-Datenbank, die eine große Bandbreite an amerikanischer Literatur zur Automobilität für die systematische Erforschung zugänglich macht. Damit wird ein neues Korpus für die Literaturgeschichte erschlossen.
© Paul Hoenhorst on Unsplash
In dem kulturwissenschaftlichen Projekt, das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit knapp 2 Millionen Euro gefördert wird, kooperiert der Professor für American Studies Timo Müller mit der Konstanzer Wissensgeschichte. Hinzukommen wird das Fach Umweltgeschichte, das sowohl die Geschichte der Umwelt als auch die Geschichte ihrer Wahrnehmung erforscht.
Über den Consolidator Grant
Mit dem Consolidator Grant unterstützt der Europäische Forschungsrat (ERC) exzellente ForschungsleiterInnen dabei, ihr eigenes unabhängiges Forschungsteam oder -programm zu verstetigen und eine erfolgreiche akademische Karriere in Europa weiterzuentwickeln. ERC Consolidator Grants werden bis zu einer maximalen Fördersumme von 2 Millionen Euro und für einen Zeitraum von fünf Jahren vergeben.
Weitere Fördergelder in Höhe von 1 Million Euro können beantragt werden, um bestimmte Anschubkosten, wie zum Beispiel den Kauf von Ausrüstung oder die Kosten für Feldforschung, zu finanzieren. Um für einen ERC Consolidator Grant in Frage zu kommen, müssen die ForschungsleiterInnen bei der Antragstellung den bahnbrechenden Charakter, den hohen Anspruch und die Durchführbarkeit ihres Forschungsvorhabens belegen.
Faktenübersicht:
- Zwei ERC-Consolidator Grants des Europäischen Forschungsrats für die Universität Konstanz
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Förderung der Projekte
- „CO-SLEEP“ von Prof. Dr. Meg Crofoot, Professorin für Organismal Interactions und Direktorin der Abteilung für Ökologie der Tiergesellschaften am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie mit 2,9 Millionen Euro
- „Off the Road: The Environmental Aesthetics of Early Automobility“ von Prof. Dr. Timo Müller, Professor für American Studies mit rund 2 Millionen Euro
- Förderzeitraum von fünf Jahren.