Konstanzer Wissenschaftsforum „Klima im Wandel“

ExpertInnen und PraktikerInnen diskutieren die drängenden Fragen und Herausforderungen des Klimawandels in öffentlicher Veranstaltung.
© Pixabay / svklimkin

Das Klosett und der Klimawandel haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denken mag. Ganz offensichtlich kreisen beide Themengebiete um eine unerwünschte Sache, die wir gerne loswerden möchten. Doch das metaphorische Bild, mit dem der Moderator Felix Seibert-Daiker die zweitägige Konferenz „Klima im Wandel – von Kipppunkten, Korallen und Klimakonferenzen“ des Konstanzer Wissenschaftsforums am 11. November 2022 eröffnete, reicht tiefer. Nachdem Sir John Harington im Jahr 1596 das erste Wasserklosett der Neuzeit erfand, interessierte sich knapp 200 Jahre niemand dafür. Bis schließlich der schottische Erfinder Alex Cumming 1775 das Patent für seine Ausführung einer spülbaren Toilette erhielt.

„Wir drehen, wenn wir den Treibhauseffekt verstärken, an der größten Stellschraube in der Strahlungsbilanz, an der man überhaupt drehen kann“

– Stefan Rahmstorf, Institut für Klimaforschung, Potsdam

Auch Treibhauseffekt und Klimawandel sind keine neuen Erkenntnisse. Bereits im 19. Jahrhundert stellte Alexander von Humboldt fest, dass wir Menschen das Klima auf der Erde beeinflussen, sei es durch das Abholzen von Bäumen oder die in der Industrie entstehenden Dämpfe und Gase. 1896 erkannte der schwedische Physiker und Chemiker Svante Arrhenius, dass das Anreichern von CO2 in der Atmosphäre die Erdtemperatur erhöht. 1992 wurde auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro eine UN-Klimakonvention beschlossen. Doch statt Treibhausgase einzusparen oder Unerwünschtes sauber wegzuspülen, wurde kaum etwas unternommen, um die Erderwärmung aufzuhalten bzw. die Notdurft weiter in Sickergruben entsorgt. Auch wenn es nachhaltigere Alternativen gab, man hatte sich an ein Verhalten gewöhnt und es war bequemer, nichts daran zu ändern.

https://youtu.be/F5iTCWrc0ko

Wie wichtig es jedoch ist, endlich aktiv zu werden und sich den drängenden Fragen und Aufgaben der Klimakrise zu stellen, wurde am 11. und 12. November 2022 beim „Konstanzer Wissenschaftsforum“ zum Thema „Klima im Wandel – von Kipppunkten, Korallen und Klimakonferenzen“ eindrücklich vorgestellt und diskutiert. In einem abwechslungsreichen hybriden Formatmix aus Vorträgen, Interviews, Kurzfilmen und Talkrunden haben ExpertInnen und PraktikerInnen Einblicke in ihr Arbeitsumfeld rund um den Klimawandel gegeben.

Die physikalische Dimension
Im ersten Block wurde die physikalische Dimension anhand von Klimamodellierungen genauer in den Blick genommen. Mit jedem Zehntelgrad Erderwärmung steigt das Risiko, einen zentralen Kipppunkt in unserem Klimasystem zu überschreiten und damit eine irreversible Veränderung herbeizuführen. Die Frage, wie wir das Ziel der „Netto-Null-Emissionen“ erreichen können, stellt sich daher mit zunehmender Vehemenz und ist ohne technische Lösungen nicht zu beantworten. Gleichzeitig sind das Bemühen um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch und eine damit einhergehende Verhaltensänderung unsererseits ebenso entscheidende Faktoren.

https://youtu.be/4lEv8iCPA1k

https://youtu.be/vepWfWQtijM

Die ExpertInnen der Runde stellen daher nicht allein die physikalischen Daten und Aufzeichnungen vor. Sie diskutieren Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels und Anpassungsmaßnahmen, die auf die Folgen reagieren.

https://youtu.be/8XCak6-qlls

Die biologische Dimension
Neben den Klimadiagrammen geben auch Beobachtungen im Tierreich Aufschluss über den Zustand unserer Ökosysteme und die damit verbundenen Folgen des Klimawandels. Doch die Systeme geraten zunehmend aus dem Takt – mit weitreichenden Folgen für die Biodiversität. Auf der Suche nach geeigneten Lebensräumen haben die Organismen zu wandern begonnen, doch der Kampf um einen Platz ohne Sonne kennt deutlich mehr Verlierer als Gewinner. Auf den Gipfeln der Alpen wird es eng für den Enzian. Die Korallen bleichen durch den Verlust ihrer symbiotischen Algenzellen aus.

https://youtu.be/sWiuIfAaz_U

Sandbienen finden wegen immer früherer Blütenstände keine Pollen mehr auf den Wiesen. Die Beispiele des zweiten Blocks zur biologischen Dimension illustrieren, wie die Ökosysteme durch den Klimawandel aus dem Takt geraten und die Wechselbeziehungen der Organismen untereinander nicht mehr reibungslos funktionieren.

https://www.youtube.com/watch?v=p2mpYWBnuzM

Die soziale Dimension
Aus Sicht der Natur wäre es sicherlich wünschenswert, sofort alles abzudrehen und ab heute keine Treibhausgase mehr zu emittieren. Mit Blick auf unsere Gesellschaft ist eine derart einfache Lösung allerdings nicht realisierbar.

„Die internationale Kooperation wird dadurch erschwert, dass die Verursacher nicht unbedingt die Leidtragenden sind.“

– Gabriele Spilker, Exzellenz-Cluster „The Politics of Inequality“, Universität Konstanz

Der dritte Block umkreist daher die sozialen Fragen, die die Forderung nach Klimaneutralität zwangsläufig mit sich bringt: Wie können die verbleibenden Emissionen gerecht verteilt werden? Wie motiviert man zu kooperativem Verhalten? Wer muss wann wieviel Verantwortung übernehmen? Wie wollen wir leben? Wozu brauchen wir Klimakonferenzen und welchen Nutzen haben Protestbewegungen? Dass die internationale Gemeinschaft beim Bekämpfen des Klimawandels an einem Strang ziehen muss, liegt auf der Hand und ist gleichzeitig ein hochkomplexes Problem.

https://www.youtube.com/watch?v=KMpAzuCYm6g

Bei all den schlechten Nachrichten bleibt es dabei umso wichtiger, auch das Positive im Blick zu behalten: „Auch, wenn es dringend ist, ist es noch nicht zu spät. Wir haben es in der Hand. Lasst es uns zusammen angehen!“, motiviert Christian Voolstra, der an der Universität Konstanz zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Korallen forscht. Wir alle müssen unser Handeln ändern und unsere Gewohnheiten durchbrechen. Zunächst neue Verhaltensweisen können irgendwann zur Normalität werden. So kann es einmal genauso befremdlich sein, Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen, wie den Inhalt seines Nachttopfs aus dem Fenster zu kippen.

https://www.youtube.com/watch?v=dznnQ_YrXGI

Um sich diesem Ziel zu nähern, möchte das Konstanzer Wissenschaftsforum den wissenschaftlichen Diskurs in die Gesellschaft tragen. „Unser Job ist die Aufklärung. Wir kleben uns nicht auf der Straße, sondern in den Köpfen fest“, kommentierte Claudia Diehl die Konferenz. Die Co-Sprecherin des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz organisierte die Veranstaltung gemeinsam mit Christine Peter, Prorektorin für Nachhaltigkeit, und dem Verhaltensökonomen Urs Fischbacher von der Universität Konstanz.


 

Elisa Michel

Von Elisa Michel - 09.12.2022