Neuartiges Covid-19-Schnelltestverfahren auf Basis innovativer DNA-Polymerasen entwickelt
Die frühe Identifikation von Patienten, die mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) infiziert sind, ist zentrale Voraussetzung bei der globalen Bewältigung der aktuellen Pandemie. Die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) ist dabei das Standard-Testverfahren, das für den Nachweis einer akuten Infektion von diagnostischen Laboren in Deutschland verwendet wird. Diese Methode beruht darauf, dass ein Enzym, eine sogenannte DNA-Polymerase, das Erbgut des Erregers vervielfältigt und damit sichtbar macht. Ein solcher DNA-basierter PCR-Test ist sehr robust und äußerst sensitiv, er hat jedoch bei einem RNA-Virus wie SARS-CoV-2 einen entscheidenden Nachteil: In zwei Vorschritten muss zunächst die RNA des Virus aufgereinigt und dann enzymatisch von RNA in DNA umgewandelt werden. Erst danach kann die eigentliche Vervielfältigung mittels DNA-Polymerase stattfinden. Da aufgrund der globalen Nachfrage immer wieder Engpässe bei Reagenzien und Verbrauchsmaterialien für die automatische Aufreinigung von RNA auftauchen und die manuelle Isolierung von RNA aus Patientenproben fehleranfällig und zeitaufwändig ist, besteht ein großes Interesse an alternativen Möglichkeiten, die RNA des Coronavirus zu detektieren.
Es geht auch ohne Aufreinigung der Virus-RNA
Wissenschaftler der Universität Konstanz zeigen nun eine innovative Möglichkeit auf, die zeit- und kostenaufwendige Aufreinigung der viralen RNA zu umgehen. Ermöglicht wird dieses Vorgehen durch den Einsatz eines optimierten Enzyms, das eine Doppelrolle übernimmt: Das Enzym kann sowohl RNA-abhängig arbeiten und das SARS-CoV-2 Erbgut von RNA in DNA umwandeln, als auch sogleich DNA-Polymerase mit der Vervielfältigung der DNA beginnen. Da dieses Enzym zudem besonders stabil ist, können beide Schritte bei hohen Temperaturen, sozusagen unter Volldampf, durchgeführt werden.
© Universität Konstanz„Die erstaunliche Fähigkeit dieser RNA- und DNA-abhängigen Polymerase, die an der Universität Konstanz in der Arbeitsgruppe für Organische Chemie / Zelluläre Chemie von Professor Andreas Marx entwickelt wurde, ist der Schlüssel unseres Ansatzes.“
Prof. Dr. Christof Hauck (Universität Konstanz)
Wie sich zeigte, ist es dadurch möglich, den SARS-CoV-2-Nachweis direkt vom Patientenmaterial ausgehend durchzuführen und damit den ressourcen- und zeitaufwendigen RNA-Aufreinigungsschritt einzusparen. Ob eine Infektion vorliegt oder nicht, wird mit diesem Test folglich deutlich früher bekannt: Bereits nach zwei Stunden. Der Test verfügt über eine ähnlich hohe Sensitivität wie die klassische PCR.
© Klinikum Konstanz„Aus klinischer Sicht ist die Geschwindigkeit, in der eine Covid-19-Infektion nachgewiesen wird, von hoher Bedeutung. Verdachtsfälle müssen bis zum Vorliegen des Ergebnisses vollständig isoliert werden. Für Krankenhäuser bedeutet das einen enormen Aufwand sowohl mit Blick auf Personal als auch Material. Je schneller uns das Laborergebnis vorliegt, desto effizienter lässt sich die aufwändige Behandlung organisieren.“
Prof. Dr. Marcus Schuchmann (Klinikum Konstanz)
Ergebnisse nach zwei Stunden einfach unter LED-Lampe abzulesen
Ein wesentlicher Vorteil des neuen SARS-CoV-2-Nachweises liegt nicht nur in der Zeitersparnis, sondern vor allem in der unkomplizierten Durchführung: Ohne die aufwändige RNA-Isolierung entfallen mehrere Schritte der Probenhandhabung, so dass gerade bei hohem Probendurchsatz die Gefahr einer Verschleppung von einzelnen Proben minimiert wird. Eine Vereinfachung lässt sich bei dieser neuen Vorgehensweise auch dadurch erreichen, dass herkömmlich PCR-Geräte verwendet werden können und das Ergebnis des Tests nicht nur in einem exklusiven Diagnosegerät, sondern mittels einer unprätentiösen tragbaren LED-Lampe ausgelesen werden kann. Gekoppelt mit der Möglichkeit, die kostenintensive RNA-Isolierung zu umgehen, bietet sich dieses neue Verfahren deshalb gerade auch für die Regionen der Welt an, in denen sich Covid-19 aktuell rasant ausbreitet, aber wo die diagnostischen Standardverfahren die ökonomischen Ressourcen bei weitem übersteigen.
© myPOLS Biotec„myPOLS Biotec arbeitet momentan intensiv daran, die Innovation so schnell wie möglich marktfertig zu machen. Dabei rechne ich mit einem Marktpreis von unter 5 Euro pro Test. Durch das einfache und schnelle Verfahren könnte nach Markteinführung jedes Diagnostiklabor mehrere hundert Tests pro Tag machen.“
Dr. Ramon Kranaster (myPOLS Biotec)
Die Zusammenarbeit zwischen akademischen Forschungslaboren, klinischen Einrichtungen und lokalen Akteuren der Wirtschaft ist ein Beispiel dafür, wie eine Krise zu neuen Wegen der Zusammenarbeit führt, um auch überregionale Beiträge zur Bewältigung der Probleme zu liefern.
Zur Preprint-Veröffentlichung auf medRxiv.org