Vom Prototypenbau bis zum Benutzerhandbuch – Ein Beispiel aus der Klinischen Neuropsychologie
Jennifer Randerath beschäftigt sich in ihrer Forschung unter anderem damit, wie unser Gehirn Handlungsentscheidungen trifft beziehungsweise wie es Handlungen plant und ausführt – sowohl bei gesunden Menschen als auch bei PatientInnen neurologischer Erkrankungen. Die Dienstleistungen der Wissenschaftlichen Werkstätten nimmt sie dabei in ganz unterschiedlichen Formen im Anspruch. „Wir haben zum Beispiel eine Forschungsapparatur für das Team der Arbeitsgruppe Randerath gebaut, bei der sich die rechteckige Öffnung einer Blendvorrichtung aus PVC und Aluminium nach einem automatisch ablaufenden Protokoll in ihrer Größe ändert“, schildert Harald Kautz.
Sämtliche zum Bau der fertigen Versuchsapparatur notwendigen Schritte – von der Herstellung des Aluminiumrahmens und dem Zuschneiden der PVC-Platten über die Installation der verwendeten Elektronikkomponenten bis hin zur Programmierung der Steuerungsprotokolle für die Motoren – erfolgten in den unterschiedlichen Abteilungen der Wissenschaftlichen Werkstätten.
In einer Studie zur „Anpassung der Beurteilung von Handlungsangeboten an veränderte Körpereigenschaften“ mussten die Teilnehmenden einschätzen, ob die jeweils eingestellte Öffnung in der abgebildeten PVC-Blende (links) groß genug ist, um die eigene Hand hindurchführen – unter normalen Bedingungen, nach Anlegen einer Handschiene, die die Hand höher und breiter macht (rechts), sowie nach 24-stündiger Gewöhnung an die Schiene. Ältere Teilnehmende zeigten dabei größere Schwierigkeiten, sich schnell an die veränderte „Handgröße“ anzupassen, als jüngere. Außerdem schätzten sie die Öffnung in der PVC-Blende eher als zu klein ein, auch wenn die Hand eigentlich noch hindurchgepasst hätte.
Die Apparatur kam auch bereits in verschiedenen psychologischen Studien zum Einsatz. Eine davon untersuchte zum Beispiel die „Anpassung der Beurteilung von Handlungsangeboten an veränderte Körpereigenschaften“ bei jungen und älteren ProbandInnen. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Altern die Anpassung an plötzliche körperliche Veränderungen verlangsamt, was wiederum die Beurteilung von Handlungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Das kann im Alltag mit erhöhter Unsicherheit und Sorge über mögliche Konsequenzen von Fehleinschätzungen einhergehen“, erklärt Jennifer Randerath die Schlussfolgerungen aus besagter Studie.
Zu der Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlichen Werkstätten sagt sie: „Ich bin von der Arbeit der Werkstätten schlichtweg begeistert. Wir kommen mit unseren Ideen und Konzepten im Kopf oder als Skizzen zu den MitarbeiterInnen der Wissenschaftlichen Werkstätten und diese setzen dann das, was wir uns konzeptuell vorstellen, Schritt für Schritt um und erwecken so unsere Ideen zum Leben.“
© Universität KonstanzDie Arbeitsgruppe um Jennifer Randerath hat ein neues Diagnostik- und Therapiekonzept für Apraxie-PatientInnen entwickelt. Das sind Menschen, die Probleme mit dem Werkzeuggebrauch und der Handlungsplanung haben. Derartige Störungen treten zum Beispiel häufig nach einem Schlaganfall auf. Ein Teil dieser neuentwickelten Apraxie-Diagnostik beinhaltet Tests, in denen sich die PatientInnen zwischen verschiedenen Fantasiewerkzeugen für das Geeignete zum Lösen einer gestellten Logikaufgabe (hier das Anheben des Holzzylinders links im Bild) entscheiden müssen.
Das gilt im Falle von Jennifer Randerath und ihrem Team, wie bereits angedeutet, nicht nur für Forschungsapparaturen, sondern auch für Diagnostikwerkzeuge und Praxismaterialien. So wurden beispielsweise die Fantasiewerkzeuge und zugehörigen Logikpuzzle aus Holz und Metall, die Teil eines von Jennifer Randerath und ihrer Gruppe entwickelten diagnostischen Tests sind (lesen Sie mehr hierzu in der vergangenen Herbstausgabe des uni’kon), ebenfalls in den Wissenschaftlichen Werkstätten hergestellt – genauer in der Mechanik (WWM). Bei der professionellen Ausgestaltung und Formatierung der Benutzerhandbücher und Diagnostikleitfäden, die Jennifer Randerath unter anderem für Praxis-Workshops im In- und Ausland nutzt, erhielt sie hingegen tatkräftige Unterstützung vom Servicebereich „Audio-Visuelle Medien“ (WWA) der Wissenschaftlichen Werkstätten.
https://youtu.be/e_jXpDwvOlgVideo-Interview mit Jennifer Randerath anlässlich der Verleihung des Transferpreises der Universitätsgesellschaft und der Universität Konstanz 2019, in dem auch die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlichen Werkstätten thematisiert wird.