Die Universität Konstanz in der European Universities Initiative
Die European Universities Initiative (EUI) gehört zu den Leitinitiativen der Europäischen Union (EU) zum Aufbau eines europäischen Bildungsraumes.
„Ziel dieser Initiative ist es, eine neue Generation kreativer Europäerinnen und Europäer zusammenzubringen, die in der Lage sind, in verschiedenen Sprachen, über Länder- und Fachgebietsgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und den Fachkräftemangel, mit denen Europa konfrontiert ist, zu bewältigen.“
Europäische Kommission
Frau Prof. Dr. Mergenthal, warum engagiert sich die Universität Konstanz in der European Universities Initiative?
Die European Universities Initiative bietet uns zunächst einmal neue, spannende Möglichkeiten in der europäischen Zusammenarbeit. Das Programm wurde aufgelegt, um zu prüfen, wie diese Zusammenarbeit konkret ausgestaltet werden kann. Als Reformuniversität haben wir Erfahrung damit, uns kontinuierlich zu erneuern und glauben auch nicht zuletzt aufgrund unserer ausgewiesenen Erfolge, viel zu diesem transnationalen Vorhaben beitragen zu können. Ganz pragmatisch gesehen wissen wir natürlich mittlerweile auch, dass die EU zunehmend Förderprogramme auf diese neuen Konsortien zuschneiden wird. Im Laufe des Jahres 2019 wurde also sehr schnell klar, dass wir uns beteiligen wollen und auch müssen. Das hängt übrigens auch mit der Außenwahrnehmung deutscher Universitäten beispielsweise in Amerika oder Asien zusammen. Dort kann es durchaus schwerfallen, zwischen einer exzellenten und einer europäischen Universität zu unterscheiden. Unser Engagement in der EUI kann auch vor diesem Hintergrund nur Vorteile bringen.
https://youtu.be/_H3ADL1OzQsCopyright: European Union 2019
Gemeinsam mit der Roskilde University, der Université Paris 8, der Neuen Bulgarischen Universität und der Universität der Ägäis ist die Universität Konstanz Teil der gerade im Rahmen der EUI bewilligten „European Reform University Alliance“ (ERUA). Wie hat sich diese Allianz gebildet und warum passen diese Universitäten so gut zusammen?
Nachdem die Entscheidung zur Teilnahme an der Ausschreibung an unserer Universität gefallen war, kam recht schnell eine Anfrage von der Roskilde University in Dänemark, die bereits mit der Université Paris 8 zusammengearbeitet hatte. Was uns drei Universitäten zunächst einmal verbindet, ist, dass wir Reformuniversitäten sind, die in den sechziger und Anfang der siebziger Jahre gegründet wurden. Eine gemeinsame Überlegung war, wie sich der Gedanke der Reform in die Gegenwart tragen lässt – nicht als Blaupause für eine erfolgreiche Reformuniversität, sondern vielmehr als Prozess, der es Universitäten ermöglicht, sich ständig selbst zu reformieren. Das liegt ziemlich nah an dem, was wir hier in Konstanz tagtäglich leben und deckt sich unter anderem auch mit den Maßnahmen, die wir im Rahmen unseres Konzeptes „Universität Konstanz – creative.together“ in der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder entwickelt haben, gerade auch im Bereich Transfer.
„Europäische Hochschulen sind transnationale Allianzen, die sich zu Hochschulen der Zukunft entwickeln, europäische Werte und die europäische Identität fördern und außerdem Qualität und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hochschulbildung revolutionieren.“
Europäische Kommission
Wie sind Bulgarien und Griechenland zum Team gestoßen?
Um eine wahrhaft europäische Allianz zu bilden, wollten wir unbedingt Partner aus allen Teilen Europas einbinden, also auch aus dem Süden und Osten, wo Reformuniversitäten allerdings nicht besonders dicht gesät sind. Die Universität der Ägäis, die in den neunziger Jahren gegründet wurde, stand für uns sehr schnell als weitere Partneruniversität fest. Für Osteuropa gab es verschiedene Erwägungen. Letztlich fiel die Entscheidung dann auf die Neue Bulgarische Universität, ebenfalls eine Gründung aus den neunziger Jahren, die sehr international aufgestellt ist und früh Bologna umgesetzt hat. Darüber hinaus gehören diese und die weiteren Projektpartner zu den sichtbarsten Reformuniversitäten in ihren Ländern. Alle fünf am Konsortium beteiligten Universitäten haben zudem einen ausgewiesenen Schwerpunkt in den Geistes- und Sozialwissenschaften, der uns auch über die organisatorische Ebene hinaus inhaltlich und thematisch miteinander verbindet.
Was ist das Besondere an der „European Reform University Alliance“?
Das Besondere an unserem Konsortium ist, dass wir ein gemeinsames Narrativ teilen, das aus dem Gedanken heraus entsteht, sich permanent zu erneuern, und das von allen fünf Universitäten zu gleichen Teilen getragen wird. Bei den anderen Konsortien ist das nicht unbedingt der Fall. Eine Vorstellung, die die EU mit der European Universities Initiative verfolgt, ist, Muster für eine ideale europäische Hochschule zu entwickeln. Mit unserem Reformgedanken haben wir möglicherweise eine Marktlücke erschlossen.
„We share a vision of universities as creative spaces, an awareness of the power of experimental approaches, and an understanding of the promises of diversity.”
Aus dem Mission Statement der European Reform University Alliance (ERUA) unter Konstanzer Beteiligung
Welche konkreten Ziele verfolgt das ERUA-Konsortium?
Auf Forschungsebene wird sich das Konsortium ganz klar auf gemeinsame Forschungsaktivitäten fokussieren, die den Reformprozess begleiten. Ein Work Package sieht beispielweise vor, dass wir gemeinsam Foren definieren, in denen eine Reflexion über Reformprozesse stattfinden kann. Natürlich gibt es auch weitere punktuelle Forschungskooperationen zwischen den beteiligten Universitäten, die teilweise auch schon bestehen – etwa bei der Mehrsprachigkeit oder in der Biologie – aber tatsächlich wird das Hauptaugenmerk des ERUA-Konsortiums nicht so sehr auf der Forschung als vielmehr auf der Lehre liegen. Das beginnt mit der Intensivierung der Studierendenmobilität, geht weiter mit innovativen Lehr- und Lernformen, die ausgetauscht werden sollen – Roskilde beispielsweise gestaltet die Lehre sehr projektorientiert – und es gibt eine starke Komponente im Bereich von Staff Exchange, Staff Mobility und Best Practice. Eine weitere Dimension unserer Allianz ist das interne Capacity Building mit einer starken Ausrichtung auf das wissenschaftliche Personal, insbesondere Promovierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der frühen Post-Doc-Phase, aber auch das Capacity Building im Sinne eines Transfers in die Gesellschaft hinein. Gerade in diesem Bereich sind auch unsere Projektpartner teilweise schon sehr aktiv, insbesondere die Université Paris 8 und die Universität der Ägäis. Die Idee ist, dass die fünf Universitäten sich dazu austauschen, wie sie an ihren Standorten gesellschaftlich verortet sind und wie sie in ihre jeweiligen Regionen ausstrahlen.
Welche Möglichkeiten wird ERUA den Studierenden eröffnen?
Der Idealfall, auf den wir im Rahmen unserer Allianz hinarbeiten, ist, dass alle Studierenden der am Konsortium beteiligten Universitäten im Laufe ihres Studiums mindestens einmal Kontakt zu den anderen Partneruniversitäten haben. Das muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass sie an einer der Universitäten des Konsortiums studieren. Es sind beispielsweise verschiedene Mobilitätsformate denkbar, außerdem natürlich virtuelle Mobilitäten, oder dass Studierende die Landessprache eines der Projektpartner erlernen. Eine weitere Idee, die aus der Universität Konstanz heraus entwickelt wurde, ist, ein weiteres Modul einzurichten, das Schlüsselqualifikationen und Veranstaltungen miteinander kombiniert, die die Studierenden sowieso belegen. Inhaltlich würde dieses Modul in Richtung „European Agency“ gehen und könnte später vielleicht sogar einmal als Grundlage für einen neuen Masterstudiengang dienen. Das wäre aber schon der übernächste Schritt. Zunächst einmal halten wir es für sinnvoll, über Joint und Dual Degree-Programme nachzudenken. Dazu gehört auch, dass wir die Anrechnung verschiedener Veranstaltungen überdenken und gegebenenfalls flexibler gestalten.
Wie kann uns die „European Universities Initiative“ dabei helfen, uns im Wettbewerb mit anderen Universitäten und anderen Wissenschaftsnationen zu positionieren?
Unser Engagement in der European Universities Initiative ist in erster Linie ein Selbstzweck, wird aber gerade auch vor dem Hintergrund der nächsten Antragsrunde in der Exzellenzstrategie relevant sein. Wir müssen generell sehr gründlich darüber nachdenken, wie wir uns in welchen Netzwerken verorten. Die EUI, aber auch YERUN, sind in dieser Hinsicht wichtig für uns. Wir sind der Meinung, dass es für uns aktuell nur von Vorteil sein kann, uns noch stärker und in verschiedenen Netzwerken Richtung Europa zu orientieren.