Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen: Wissenschaft als Krisenhelfer

Die Corona-Pandemie fordert gemeinschaftliches Handeln und Kooperationen, um rasch adäquate Lösungen zu finden. Gerade die Wissenschaft hat hier eine zentrale Bedeutung. Sie bietet Kompetenzen, die in vielen Bereichen helfen können. Wir haben mit Landrat Zeno Danner und dem Ärztlichen Direktor des Klinikums Konstanz, Prof. Dr. Marcus Schuchmann, über die Bedeutung von Wissenschaft in diesen Zeiten gesprochen – und wie die Universität Konstanz konkrete Hilfe bei der Bewältigung der Krise leistet.


Die Corona-Pandemie stellt die Welt vor eine neue Herausforderung – auch die Bodenseeregion. Welche Implikationen hatte die Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen für das Landratsamt bzw. für das Klinikum Konstanz?

Zeno Danner: Das Landratsamt hat bereits Ende Februar, vor dem ersten bestätigten Fall im Landkreis Konstanz, einen Kommunikationsstab mit den relevanten internen und externen Akteuren eingerichtet, nach dem Motto „in der Krise Köpfe kennen“. Darin vertreten sind unter anderem das Gesundheitsamt, die Kliniken des Landkreises Konstanz, die nieder­gelassenen Ärzte, die Hilfsorganisationen, Feuerwehren und Polizei sowie die Städte und Gemeinden. Der Kommunikationsstab traf sich anfangs zweimal pro Woche und jetzt wöchentlich per Videokonferenz, um sich über die aktuellen Entwicklungen und Maßnahmen miteinander auszutauschen.

Eine der großen Maßnahmen war die Einrichtung der Informations- und Diagnostikzentren (IDZ) an den Klinikstandorten in Konstanz und Singen, bei denen Abstriche für Corona-Tests vorgenommen werden. Wichtig ist in dieser besonderen Situation auch die umfangreiche Information der Öffentlichkeit. Dazu laden wir wöchentlich die örtliche Presse zu einer Pressekonferenz ein und haben parallel eine Telefon-Hotline für die Bürgerinnen und Bürger für Fragen rund um die Corona-Pandemie eingerichtet.

Marcus Schuchmann: Im Angesicht der bedrückenden Bilder aus Italien und Spanien standen wir zunächst vor der Herausforderung, ein hochspezialisiertes Krankenhaus, das im Normalbetrieb viele verschiedene Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern behandelt, auf ein einziges Ziel auszurichten. Es galt, alles nicht essentiell Notwendige temporär auszusetzen, um in kurzer Zeit möglichst viele Intensiv- und Beatmungsplätze bereitzustellen.

Das war eine große logistische Herausforderung: angefangen bei den Geräten, bei der Schutzausrüstung für das Personal, aber auch bei der Organisation der Behandlung von Covid-19-Patienten. Das konnte nur durch eine enge Zusammenarbeit aller medizinischen Fachbereiche gelingen. Schnell hat sich gezeigt, dass auch die Kapazität der Corona-Tests langfristig erhöht werden muss. Die Labore um die Professoren Christof Hauck, Marcus Groettrup und Thomas Mayer der Universität Konstanz haben hier etwa dem medizinischen Diagnostiklabor Dr. Brunner zugearbeitet, um die hohe Anzahl der Corona-Testverfahren bewältigen zu können.
Parallel konnte mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Oliver Deussen äußerst kurzfristig eine Entwicklungspartnerschaft organisiert werden, die uns half, interne Kommunikationswege zu digitalisieren.

„Als Spin-off dieser Aktivitäten gelang es der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Daniel Keim in kurzer Zeit, ein überregionales Kommunikationstool zu etablieren, das die Verfügbarkeit von Intensivbetten in einem übersichtlichen Dashboard visualisieren kann.“

Prof. Dr. med. Marcus Schuchmann, Ärztlicher Direktor des Klinikum Konstanz

 

Wissenschaft kommt in dieser Zeit eine besondere Verantwortung zu. Welche Rolle hatte die Universität Konstanz für Sie in der aktuellen Corona-Situation?

Zeno Danner: Die Universität Konstanz hat sich von Anfang an in die Bewältigung der Krise eingebracht. Dafür möchte mich herzlich bedanken. So hat man im engen Austausch mit dem Gesundheitsverbund ein webbasiertes Tool zur bundesweiten Kontrolle der Krankenhauskapazitäten entwickelt, welches auch in Berlin Beachtung fand.

Marcus Schuchmann: Die Präsenz der Universität Konstanz hier vor Ort ist enorm stützend, etwa mit Blick auf die Ressourcen. Es gibt hier in Konstanz zwar keine medizinische Fakultät, aber eine hohe Kompetenz, gerade mit Blick auf die grundlegenden Aspekte der Corona-Erkrankung. Es ist überaus wertvoll, verschiedene Experten vor Ort als Ansprechpartner zu haben. Und es ist schon lange so, dass wir die Verbindung zwischen der Universität und dem Klinikum Konstanz ausbauen möchten. Die Corona-Krise hat dies ermöglicht, und ich hoffe, dass diese Kooperation auch über diese Zeit hinaus weiter Bestand hat und wächst.
 

Es gibt bereits mehrere fachübergreifende Kooperationsprojekte zwischen der Universität Konstanz und dem regionalen Gesundheitssystem, wie etwa dem Klinikum Konstanz, aber auch medizinischen Diagnostiklaboren. Was haben diese Formen der Zusammenarbeit ermöglicht, gerade mit Blick auf die akute Krisenbewältigung?

Zeno Danner: Die Zusammenarbeit der Universität Konstanz mit dem Labor Dr. Brunner ist für die quantitative Leistungsfähigkeit bei den Mund-Nasen-Abstrichen (PCR-Test) ein großer Vorteil für unsere IDZ. Mit dem Ausbau der Kapazitäten konnten wir schneller mehr Personen testen und das Gesundheitsamt frühzeitig auf die bestätigten Fälle reagieren. Von dieser Kooperation profitieren übrigens auch Nachbarlandkreise.

Marcus Schuchmann: Gleichzeitig haben sich dadurch neue Forschungsimpulse entwickelt, da man im ständigen Austausch miteinander auch kontinuierlich versucht, die jeweilige Situation zu verbessern. Also konkret mit Blick auf die Corona-Testverfahren etwa: Wie können wir diese besser machen? Oder wie können wir es erreichen, dass das Ergebnis schneller vorliegt?

Die Geschwindigkeit der Tests ist gerade für Krankenhäuser von großer Relevanz, denn solange das Ergebnis nicht vorliegt, muss ein Verdachtsfall behandelt werden, als wäre er positiv. Mit Blick auf Material und Personalkapazitäten ist das sehr aufwändig. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig persönliche Kontakte sind. Es ist ungemein wichtig zu wissen, was andere machen. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass Kooperationen über einzelne Sektoren hinweg stärker denn je gefragt sind, um mit dieser komplexen Herausforderung fertig zu werden.
 

Welche Herausforderungen sehen Sie in der nächsten Zeit noch auf das Landratsamt bzw. das Klinikum Konstanz zukommen?

Zeno Danner: Insbesondere der Weg zur neuen Normalität wird uns die nächste Zeit sehr beschäftigen. Zum einen gilt es, die aufgebauten Strukturen, unter anderem im Gesundheitsamt, in das Gesamtgefüge des Landratsamts einzubinden. Gleichzeitig müssen wir den regulären Betrieb wieder hochfahren. Die zuletzt zurückgegangene Anzahl an Anträgen und Anfragen wird in den kommenden Wochen wieder stark zunehmen. Darüber hinaus werden wir, gleich wie die Städte und Gemeinden, die wirtschaftliche Lage in unserem Haushalt zu spüren bekommen und müssen uns darauf einstellen.

„Wir sind eben noch lange nicht durch die Krise durch, sondern müssen Wege finden, wie wir weiter effektiv Covid-19 bekämpfen und gleichzeitig das öffentliche Leben ermöglichen.“

Zeno Danner, Landrat des Landkreises Konstanz

 

Marcus Schuchmann: Dieser Weg zu einer neuen Routine ist auch für das Klinikum Konstanz die zentrale Herausforderung der kommenden Zeit. Es wird jetzt darum gehen, wie die Behandlung von Covid-19-Patienten mit einem möglichst normalen Klinikalltag in den übrigen Bereichen zu vereinbaren ist. Das wird ein Balanceakt, denn die Behandlung von Corona-Patienten ist sehr aufwändig.

Es wird also eine „neue Normalität“ geben, in der wir kontinuierlich die Bedürfnisse der Patientengruppen austarieren müssen. Auch werden die Kliniken die veränderte wirtschaftliche Lage zu spüren bekommen. Ich bin froh, wenn uns deutlich signalisiert wird, dass wir nicht im Regen stehen gelassen werden. Corona wirft Fragen auf und gibt auch wichtige Impulse für eine zukünftige Aufstellung des Gesundheitssystems, die es im Dialog mit der Politik zu entwickeln gilt, damit wir für zukünftige Herausforderungen bestens gerüstet sind.

Kathrin Zander

Von Kathrin Zander - 13.05.2020

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