Wissenschafts-Kurier: Per Fahrrad von Konstanz nach Oslo

Ende Mai 2024 bricht Nils Weidmann, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz, zum dritten Mal zu einer ungewöhnlichen Dienstreise auf: Mit dem Fahrrad von Konstanz nach Oslo. In einem Zeitraum von vier Wochen wird er dabei im Rahmen seines Forschungssemesters insgesamt 16 Forschungseinrichtungen in 14 Städten besuchen und rund 2500 Kilometer zurücklegen, um mit KollegInnen über aktuelle Forschungsarbeiten zu diskutieren. Eine unkonventionelle Art der Wissenschaftskommunikation.
© Nils Weidmann

Ein Gespräch mit Nils Weidmann über seine Pläne, die Motivation und mögliche Erwartungen an sein besonderes „BikeAndTalk“ Unterfangen.

2022 sind Sie erstmals zu einer BikeAndTalk Tour gestartet. Was hat Sie dazu inspiriert, so etwas überhaupt auf die „Räder“ zu stellen?

Nils Weidmann: Als aktiver Rennradler hatte ich mir überlegt, dass sich die An- und Abfahrt bei Dienstreisen doch auch angenehmer gestalten und mit einer sportlichen Herausforderung verbinden ließe. Da lag es nahe, einfach mit dem Rad zu fahren. Von Konstanz aus sind die Distanzen meist lang und die Anfahrt oft nicht in einem Tag machbar. Das brachte mich auf die Idee, mehrere Vorträge miteinander zu verbinden, und so war das Format der BikeAndTalk-Vortragsreise geboren.

© Nils Weidmann

Freie Fahrt mit dem Rad – Stau auf der Autobahn (BikeAndTalk 2023).
 

Können Sie uns einen Einblick in die diesjährige Route geben? Welche Besonderheiten gibt es?

Die Idee, in diesem Jahr nach Oslo zu fahren, entstand im Gespräch mit einem ehemaligen Kollegen am Peace Research Institute Oslo (PRIO). Die diesjährige Tour führt über Mannheim und Mainz durch Hessen und Niedersachsen, dann über Hamburg und Kiel nach Dänemark.

Von Kopenhagen komme ich über die Öresund-Brücke (leider nur mit dem Zug) nach Schweden, dann entlang der Küste über Göteborg nach Oslo. Dieses Jahr ist die Länge der Tour natürlich die größte Besonderheit – die Touren in den Jahren 2022 und 2023 dauerten jeweils nur eine Woche und waren nur 600-800km lang, hatten aber einen dichteren Zeitplan. Diesmal ist die Strecke rund dreimal so lang. Das ist möglich, weil die Tour während meines Forschungssemesters stattfindet, in dem ich nicht in die Lehre eingebunden bin.

Welche Herausforderungen erwarten Sie während Ihrer vierwöchigen Tour?

Das Wetter ist beim Radfahren ein entscheidender Faktor, der bestimmt, wie gut man vorankommt und wieviel Spaß man dabei hat. Der Zeitraum wurde bewusst so gewählt, dass ich hoffentlich nicht tagelang durch nasses und kaltes Wetter fahren muss. Aber ausschließen lässt sich das nicht. Eine weitere Herausforderung sind Fahrradpannen. Einen platten Reifen bekomme ich selbst problemlos geflickt, aber wenn z. B. die Schaltung kaputt geht oder die Kurbel bricht, kann das im schlimmsten Fall das Ende der Tour bedeuten. Zuletzt sind gewisse Einschränkungen bei Kleidung und technischer Ausrüstung notwendig, da ich mein Gepäck ausschließlich am Rad mitnehme – einen Laptop z. B. habe ich nicht dabei, die Vortragsfolien spiele ich daher vom Smartphone ab.

Gibt es bestimmte Ziele oder Meilensteine, die Sie während der Tour erreichen möchten? Und wie sah die Vorbereitung aus?

Die größte Ziel ist es natürlich, die Tour wie geplant durchzuführen, so dass ich heil in Oslo ankomme und kein Vortrag ausfallen muss. Die Vorbereitung bestand im Wesentlichen darin, dass ich bei Kolleginnen und Kollegen angefragt habe, ob sie Interesse an einem Vortrag haben. Das ist vielfach nicht ganz einfach zu organisieren, da ich für die einzelnen Vorträge nur ein enges Zeitfenster habe und daher oft nicht zu den regulären Vortragszeiten kommen kann. Nachdem die Liste der Institutionen feststand, habe ich die Route festgelegt und dabei versucht, die längeren Etappen zwischen den Institutionen auf die Wochenenden zu legen, weil dann natürlich kein Vortrag stattfinden kann und es mehr Zeit zum Radfahren gibt. Das hat ganz gut geklappt, aber ein paar ruhigere Tage gibt es schon.

https://youtu.be/_E8OKV6gNpE

Werden Sie von Ihrer Reise berichten? Wie und wo kann man das verfolgen?

Die Stationen sind schon jetzt auf Google Maps zu sehen, und ich werde von der Tour über X und Bluesky berichten. Außerdem wird es wöchentliche Einblicke von der Tour auf dem Instagram-Kanal der Universität Konstanz geben.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Sie während dieser Tour?

Das Rad ist natürlich eine sehr nachhaltiges Transportmittel. Dafür dauert das Ganze deutlich länger, ich weiß also nicht, ob die Klimabilanz unterm Strich positiv ist. Aber es ist sicher ein guter Effekt, wenn ich zeigen kann, dass eine solche Art von „Dienstreise“ möglich ist, auch wenn das Fahrrad natürlich gerade bei längeren Distanzen nur schwer einzusetzen ist. Eine Fahrradrevolution wird es bei wissenschaftlichen Reisen wahrscheinlich also nicht geben ...

Gibt es spezielle Themen, über die Sie auf Ihrer Reise sprechen werden?

Es werden aktuelle Themen aus der Forschung meiner Arbeitsgruppe sein. Darin geht es z. B. um die Rolle von Wissenschaft in Autokratien, KI-basierte Analyse von Bildern aus sozialen Medien, oder die Codierung politikwissenschaftlicher Daten mit Sprachmodellen wie ChatGPT.

Welche persönlichen Erwartungen haben Sie an diese Reise?

Ich freue mich auf viele schöne Eindrücke beim Radfahren, da ich aufgrund des zeitlichen Puffers die Radroute optimieren kann und nicht wie bei vorigen Touren immer die direkte Strecke fahren muss. Zudem bin ich gespannt auf die Treffen mit vielen KollegInnen aus der Politikwissenschaft, gerade mit denjenigen etwas außerhalb meiner disziplinären Blase, die ich sonst wohl nicht kennengelernt hätte.

Mit Blick auf Ihre vorangegangenen BikeAndTalk Touren: Welche unvorhergesehenen Situationen oder Hindernissen waren einprägsam?

Ich erinnere mich an die Tour 2022, als ich in strömendem Regen von Tübingen nach Heidelberg weiterfahren musste, teils auf einer vielbefahrenen Bundesstraße. Das war nicht so angenehm, ging aber dann doch gut. Und positiv in Erinnerung blieb mir die Duschgelegenheit, die mir mein Kollege Ulrich Sieberer bei der Ankunft in Bamberg 2023 vermitteln konnte – beim dortigen Hochschulsport ganz unerwartet und sehr willkommen.

Was ist für Sie persönlich der größte „Mehrwert“ Ihrer BikeAndTalk Touren?

Die Möglichkeit, wissenschaftlichen Austausch und sportliche Herausforderung direkt miteinander zu verbinden!

Prof. Dr. Nils B. Weidmann ist Professor für Vergleichende Politikwissenschaft nicht-demokratischer Staaten und Leiter der Arbeitsgruppe „Communication, Networks and Contention“. Er ist Mitglied des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Wichtige Forschungsfelder seiner Arbeitsgruppe sind die Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologie bei politischer Mobilisierung, die Erforschung von Ungleichheit und politischer Gewalt sowie neue Methoden der Datensammlung in den Sozialwissenschaften. Nils B. Weidmann ist Leiter des Zentrums für sozialwissenschaftliche Bildanalyse (ZESOB) an der Universität Konstanz.

Headerbild: Auf dem Weg von Konstanz nach Tübingen (BikeAndTalk 2022). Copyright: Nils Weidmann

Kathrin Zander

Von Kathrin Zander - 14.05.2024