Countdown für Olympia: Jura-Student Simon Diesch segelt für Deutschland
Ganz herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Qualifikation für die Olympischen Spiele 2024! Was bedeutet es für Sie, mit um die Medaillen zu segeln?
Simon Diesch: Vielen Dank. Ja, die olympischen Spiele sind wirklich ein Lebenstraum, der mit der Qualifikation jetzt in Erfüllung geht. Meine Segelpartnerin Anna Markfort und ich haben die letzten Jahre hart auf dieses Ziel hingearbeitet. Es war bis zu den Europameisterschaften in Cannes im Mai spannend, ob wir es schaffen, uns gegen die starke deutsche Konkurrenz durchzusetzen.
Welche Herausforderungen mussten Sie beide meistern, um sich für Olympia zu qualifizieren?
Die Qualifikation war ein langwieriger Prozess. Letztlich waren drei Segel-Events dafür ausschlaggebend: die Weltmeisterschaft und der Weltcup dieses Jahr auf Mallorca sowie die Europameisterschaft in Cannes im Mai 2024. Da war dann einerseits die Freude natürlich groß bei uns. Gleichzeitig hat das für die anderen meiner 470er-mixed SegelkollegInnen das Ende des Olympia-Traums bedeutet. Wir haben viel miteinander trainiert, verstehen uns alle sehr gut, und da fühlt man einfach mit. Der Deutsche Segler-Verband (DSV) hat erst letzte Woche (Ende Juni) das deutsche Olympia-Segelteam vorgestellt. Da waren wir alle beim Pressetermin und ehrlich gesagt beginne ich erst jetzt so allmählich zu realisieren, dass wir wirklich zu den Olympischen Spielen fahren.
"Wir treten nicht an mit dem Ziel, nur dabei zu sein. Wir möchten ganz klar Edelmetall."
Simon Diesch
Wie sind Sie zum Segeln gekommen?
Ich bin hier am Bodensee aufgewachsen und komme aus einer Segel-Familie. Mein Vater hat 1976 in Montreal zusammen mit seinem Bruder die Goldmedaille im Flying Dutchman gewonnen. Auch meine Cousine ist bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Peking mitgesegelt (Platz 9). In dem Umfeld war es naheliegend, dass ich mit fünf Jahren zum ersten Mal in einen Opti gesetzt wurde. Als Kind war ich eigentlich ziemlich ängstlich. Aber immer, wenn ich auf dem Wasser war, habe ich mich total sicher gefühlt. Im Segelboot hatte ich nie Angst und es ist zu meiner großen Leidenschaft geworden. Dieser Leidenschaft auf Top-Niveau nachgehen zu können ist ein Geschenk. Ich freue mich sehr, dass wir uns bei Olympia mit der Weltspitze des Segelsports messen dürfen.
Wie sieht aktuell Ihre Vorbereitung auf die olympischen Wettkämpfe aus?
Seit Mai sind wir fast durchgehend in Marseille und trainieren. Marseille war schon die letzte Zeit unser zentraler Trainings- und auch Wettkampfspot. 2022 waren wir drei Monate dort, 2023 waren es zwei Monate. Jedes „Segelrevier“ hat seine ganz speziellen Eigenarten. Es ist also auch für die Olympischen Wettkämpfe – die dann eben auch in Marseille stattfinden – wichtig, die Gegebenheiten vor Ort so gut es geht zu kennen.
© DSV/Felix Diemer
Klingt danach, als wäre man als Olympia-Segler ziemlich viel unterwegs.
Das ist richtig. Ich würde schätzen, dass ich im Jahr 180 bis 200 Tage auf dem Wasser bin. Dazu kommen 60 bis 80 Reisetage. Da muss man sich sehr gut organisieren, um auch noch Zeit für das Studium zu finden.
Sie schreiben also Ihre Hausarbeiten, sobald der Wind abflaut oder Sie auf dem Weg von einem zum anderen Wettkampf sind?
Ja, so in etwa. Ich muss alle Zeitslots, die sich öffnen, effektiv nutzen. Bereits vor Beginn meines Studiums habe ich sorgfältig überlegt, welchen Studiengang und welche Universität ich wählen sollte, um die Anforderungen des Leistungssegelns optimal mit meinem Studium zu vereinbaren. Die Universität Konstanz gehört zu den „Partnerhochschulen des Spitzensports“ in Deutschland und bietet somit besondere Unterstützung für uns AthletInnen, damit man den Spagat zwischen Spitzensport und Studium hinbekommt. Abgabefristen für Hausarbeiten werden beispielsweise an meine Wettkampfpläne angepasst. Ganz wichtig ist aber auch die Laufbahnberatung der Universität. Hier bekommt man durch das Team des Hochschulsports individuelle Beratung, wie man alles unter einen Hut bekommt. Oder in manchen Fällen eben auch: wie nicht. Wenn ein Studium beispielsweise umfassende Präsenz in einem Labor verlangt, wird es schwierig, gleichzeitig auch auf Weltniveau zu segeln.
Seit Oktober 2007 ist die Universität Konstanz dem Projekt "Partnerhochschule des Spitzensports" beigetreten. Aktuell werden insgesamt 35 KaderathletInnen in Konstanz unterstützt, die Doppelbelastung Studium und Spitzensport zu meistern. Mehr als 70 ehemalig geförderte SpitzensportlerInnen haben ihr Studium zwischenzeitlich abgeschlossen.
Was ist mit Blick auf Ihr Studium Ihr nächstes wichtiges Ziel?
Bei mir steht das Staatsexamen an. Ab dem Wintersemester heißt es also für mich: Vollzeit Studium und Fokus auf mein Staatsexamen. Einmal angemeldet, lässt sich am Examenstermin nicht rütteln. Das Insolvenzrecht interessiert mich aktuell besonders. Mal sehen, in welche Richtung es nach dem Examen für mich geht.
Hier an der Uni Konstanz fiebern natürlich alle mit. Wann genau gilt es, die Daumen zu drücken?
Ein normaler Wettkampf geht bei uns über sechs Tage, bei den Olympischen Spielen vom 2. bis 7. August. Falls Wind- und Wetterbedingungen in diesem Zeitraum nicht mitspielen, kann es sein, dass wir auch noch am 8. und 9. August segeln. Auch die Segelwettkämpfe lassen sich in der Übertragung verfolgen.
Dabei sein ist alles! Oder? Was sind Ihre Ambitionen für die olympischen Wettkämpfe im August?
Also wir treten nicht an mit dem Ziel, nur dabei zu sein. Wir möchten ganz klar Edelmetall. Wenn alles passt, haben wir das Potential, um die anderen Teams zu schlagen. Wir hoffen, es gelingt uns bei den Spielen, unsere ganze Segelperformance aufs Wasser zu bringen. Bekommen wir das hin, reicht es auch fürs Siegertreppchen.