„Anreiz statt Quote“

Kommentar von Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Konstanz

Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, Rektorin der Universität Konstanz
 
Grundsätzlich begrüße ich die Bestrebungen des Landes Rheinland-Pfalz, das Thema Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus der Hochschulpolitik und des aktuellen Gesetzentwurfes zum Hochschulgesetz zu rücken. Dass gerade schwierige Themen wie die Genderparität in Gremien explizit angesprochen und geregelt werden sollen, ist zunächst einmal ein positives Signal, dass gegebenenfalls auch über die Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz hinaus eine positive Strahlkraft entwickeln kann.
 
Anreiz statt Quote

Die öffentlich geäußerte Kritik der 71 Mainzer Professorinnen insbesondere zum Thema Gremienarbeit kann ich prinzipiell nachvollziehen, allerdings sollten wir seitens der Universitäten der Politik Lösungsoptionen aufzeigen, wie eine Genderparität ermöglicht werden kann. Ich bin der Meinung, dass sich alle Mitglieder einer Professorenschaft an der Gremienarbeit beteiligen sollten und dass bei der Zusammensetzung von Gremien nicht nur Frauen und Männer hinreichend vertreten sein sollten, sondern dass darüber hinaus auch übergreifenden Diversity-Aspekten Rechnung getragen werden sollte. Eine Verpflichtung zur Beteiligung von Frauen per Quote halte ich für grundsätzlich problematisch. Der Nachteil, der Frauen aufgrund ihrer quantitativen Unterrepräsentanz innerhalb einer Professorenschaft aus einer verpflichtenden Regelung entstehen kann, ist hinlänglich bekannt und auch an der Universität Konstanz ein wichtiges Thema.
 
Notwendigkeit eines gut durchdachten Kompensationsmodells

Auch das Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg sieht eine gleichberechtigte Berücksichtigung von Männern und Frauen bei der Besetzung von Gremien vor. Die Vorgaben wurden in der Exzellenzstrategie mit einem angestrebten Frauenanteil von mindestens 40% für wichtige Entscheidungsgremien konkretisiert. Um insbesondere Professorinnen bzw. Wissenschaftlerinnen für das Engagement in Entscheidungsgremien zu gewinnen und potenzielle Nachteile, wie sie in Mainz befürchtet werden, auszugleichen, müssen Anreize geschaffen werden, die Wissenschaftlerinnen für die übernommene Verantwortung und den damit verbundenen Mehr- bzw. Mehrfachaufwand angemessen entschädigen. Ein gut durchdachtes Kompensationsmodell, das zudem auf die Bedürfnisse der jeweiligen Professorenschaft zugeschnitten ist, ist daher unerlässlich: Die geschlechtergerechte Ausgestaltung von Gremienarbeit stellt je nach Zusammensetzung sehr unterschiedliche Anforderungen an die Hochschulleitungen, deren Aufgabe es meines Erachtens ist, ihre Gestaltungsmöglichkeiten so umfassend wie möglich zu nutzen, um die gesetzlichen Vorgaben so verträglich wie möglich umzusetzen.
 
Belastbare Daten als Grundlage für die Entwicklung angemessener Kompensationsformen

Zunächst gilt es aus meiner Sicht, überhaupt erst einmal zu erfassen, wie viele Mitglieder einer Professorenschaft bereits in Entscheidungs- und Ausschussgremien, Kommissionen, Berufungskommissionen etc. tätig sind oder Funktionsämter ausüben. Nach Möglichkeit sollten dabei auch beratende Mitgliedschaften und externe Gremien in Betracht gezogen werden. Aus diesen Daten und Informationen lassen sich hervorragend persönliche und zeitliche Einschränkungen identifizieren, die sich unter Umständen einschränkend auf ein Engagement in einem Gremium auswirken können. Ich denke hier unter anderem an Kinder, die versorgt werden müssen, aber auch an weitergehende Pflegeverpflichtungen, Erkrankungen oder chronische Belastungen – dies sind alles Faktoren, die die Gremienarbeit erfahrungsgemäß erschweren.
 
Auch die Attraktivität möglicher Kompensationsformen lässt sich mittels einer Umfrage unter den Professorinnen und Professoren sehr gut bestimmen. Zu den naheliegenden Modellen gehören unter anderem eine Lehrreduktion, persönliche Zulagen, die Bereitstellung von Hilfskräften sowie weitere Sachmittel. Idealerweise kann die Einbeziehung der Betroffenen in den Gestaltungsprozess aber auch weitere Ideen für neue und kreative Anreize liefern, die gerade Frauen einen Mehraufwand in der Gremienarbeit erleichtern. Gerade an einer Exzellenzuniversität wie der Universität Konstanz, die exzellente Lehre und Forschung nicht nur fördert, sondern diese auch von allen ihren Mitgliedern fordert, ist Flexibilität im Umgang mit deren individuellen Anforderungen in besonderem Maße gefragt.
 
Berücksichtigung der Rahmenbedingungen für Wahl, Bestellung und Benennung

Grundsätzlich sollten die Ergebnisse solcher Umfragen natürlich mit den Rahmenbedingungen für die Wahl, Bestellung oder Benennung in die jeweiligen Gremien und Ämter abgeglichen werden. Auch der bundesweite Vergleich sollte hier bemüht werden, um eine Berechnungsgrundlage für die angemessene Vertretung von Professorinnen in Gremien und Ämtern gewährleisten und eine angemessene Entlastung bieten zu können.

Hintergrund: 71 Mainzer Professorinnen haben sich in einem offenen Brief zu den geplanten Änderungen am rheinland-pfälzischen Hochschulgesetz an Konrad Wolf (SPD), Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz, gewandt. Weitere Informationen im SWR-Beitrag vom 5. September 2019.


 

Prof. Dr. Kerstin Krieglstein

Von Prof. Dr. Kerstin Krieglstein - 30.10.2019