Forschende belauschen den Herzschlag von Fledermäusen im Flug

Einzigartige Aufzeichnungen zeigen, dass Fledermäuse innerhalb von Minuten ihren Herzschlag von 6 auf 900 Schläge pro Minute hochfahren können.
© Christian Ziegler

Konstanzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben den Herzschlag von Fledermäusen über mehrere Tage hinweg gemessen, einschließlich kompletter Flüge - das erste Mal, dass dies in solcher Art für eine Fledermausart durchgeführt wurde. Um die Herzfrequenz von männlichen Großen Abendseglern während des Fluges aufzuzeichnen, befestigten die Forschenden Herzfrequenzsender mit einem Gewicht von weniger als einem Gramm an den Tieren, die sie dann in einem Flugzeug begleiteten, während die Fledermäuse teilweise mehr als eine Stunde lang auf Nahrungssuche flogen. Ihre Ergebnisse, die in Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht wurden, zeigen, wie viel Energie Fledermäuse im Laufe eines Tages verbrauchen und welche Energiespar-Strategien sie anwenden, um zu überleben.

Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie (MPI-AB) und der Universität Konstanz haben eine spezielle Methode genutzt, um männliche Große Abendsegler, die in ganz Europa vorkommen, zu untersuchen. Ihr Ziel war es, genau zu verstehen, wie viel Energie Fledermäuse am Tag verbrauchen und wie sich dies im Laufe des Jahres verändert.

"Fledermäuse sind faszinierende Tiere, die sich ihren Lebensraum oft mit uns Menschen teilen", sagt Lara Keicher, die Erstautorin der Studie. "Aber Fledermäuse sind nach wie vor von Geheimnissen umhüllt. Wir haben immer noch keine klare Antwort auf einfache Fragen wie: Wie viel Nahrung brauchen sie und wie können sie in unterschiedlichen Jahreszeiten genug davon finden, um zu überleben?" Um vorherzusagen, wie es den Fledermäusen in einem sich verändernden Klima ergehen wird, ist es laut Keicher entscheidend, ihren Energiebedarf zu kennen.

Um das herauszufinden, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Fledermäusen kleine, nur 0,8 Gramm schwere Herzfrequenzsender angelegt. Wie beim Menschen lässt sich aus der Herzfrequenz auf den Energieverbrauch der kleinen Säugetiere schließen. Die Sender, die die Fledermäuse nur einige Tage lang trugen, senden ein Audiosignal des Herzschlags der Fledermäuse aus, welches dann mit Hilfe eines Radioempfängers aufgenommen wird. Dies funktioniert jedoch nur, wenn sich der Empfänger in einer Entfernung von nur wenigen hundert Metern von den Fledermäusen befindet.

© Lara Keicher / Max-Planck-Institute-fur-Verhaltensbiologie

Herzfrequenzsender (1 cm x 2 cm)

"Tagsüber war es kein Problem, die Herzschläge ohne große Unterbrechungen aufzunehmen, da sich die Fledermäuse dann in Baumhöhlen oder Fledermauskästen aufhalten. Nachts jedoch fliegen die Fledermäuse aus, um Insekten zu jagen und können dabei in kurzer Zeit mehrere Kilometer zurücklegen."

Lara Keicher

Um die Fledermäuse rund um die Uhr, auch während ihres nächtlichen Fluges, zu begleiten, flogen die Forschenden in einem kleinen Flugzeug in ihrer Nähe und begleiteten einzelne Fledermäuse über ganze Flüge von bis zu mehr als einer Stunde. "Ich weiß, dass wir die Konstanzer Anwohnerinnen und Anwohner überrascht haben, als unser Kleinflugzeug spätabends über der Insel Mainau seine Kreise zog", erinnert sich Keicher, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität Konstanz und dem MPI-AB durchführte.

Das Team, dem auch Forschende vom Schweizer Institut für Schnee- und Lawinenforschung und der Universität Freiburg angehörten, fand heraus, dass der Herzschlag der Fledermäuse während des Fluges etwa 900 Schläge pro Minute erreicht. Laut Keicher, die das Signal analysierte, "klang es für unsere Ohren wie ein einziger hoher Ton".

Anhand der einzigartigen Aufzeichnungen der Herzschläge entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler faszinierende Strategien, wie sich Fledermäuse ihre Energie in unterschiedlichen Jahreszeiten einteilen. Sie fanden heraus, dass männliche Große Abendsegler im Sommer bis zu 42% mehr Energie verbrauchen im Vergleich zum Frühjahr. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Fledermäuse im Frühjahr tagsüber in eine Art Kurzwinterschlaf gehen, dem sogenannten „Torpor“ – ein Energiespar-Zustand in dem der Herzschlag auf bis zu 6 Schläge pro Minute herabgesenkt werden kann. „Wir konnten beobachten, dass Fledermäuse im Frühjahr beim Aufwachen ihren Herzschlag innerhalb von wenigen Minuten auf Hochgeschwindigkeiten von bis zu 900 Schläge pro Minute bringen können“, sagt Keicher.

Das Team war überrascht, dass männliche Fledermäuse überhaupt keinen Torpor im Sommer nutzten. Keicher erklärt: "In den wärmeren Monaten, wenn es reichlich Nahrung gibt, bleiben die Männchen lieber tagsüber wach und investieren Energie in die Spermaproduktion, um im Herbst für die Paarung bereit zu sein." Um die verbrauchte Energie wieder aufzufüllen, jagen die Männchen im Sommer doppelt so lange wie im Frühjahr und fressen bis zu 33 Maikäfer oder über 2500 Mücken in einer Nacht.

© Kamran Safi

Männlicher Großer Abendsegler

Die Ergebnisse haben Einblicke in die energetischen Herausforderungen der Fledermäuse und ihre faszinierenden Überlebensstrategien gegeben. Dieses Verständnis wird bessere Vorhersagen darüber ermöglichen, wie sich zunehmend extreme Temperaturschwankungen oder Veränderungen in der Nahrungsverfügbarkeit auf das Leben der Tiere auswirken und sie möglicherweise bedrohen wird.

Die leitende Autorin der Studie, MPI-AB-Wissenschaftlerin Dina Dechmann, sagt: "Alle Fledermausarten sind in Deutschland geschützt und einige sind vom Aussterben bedroht. Grundlagenforschung, die das Verhalten der Tiere und ihre Anpassungen an die Umwelt untersucht, kann uns helfen, Schutzmaßnahmen zu entwickeln, damit beispielsweise Große Abendsegler auch weiterhin am Konstanzer Nachthimmel zu sehen sein werden."

Originalartikel: Der Artikel im Original ist am 4. Juli 2024 auf der Website des Max-Plack-Institutes für Verhaltensbiologie erschienen.

Titelbild: Cessna, mit welcher die Flüge durchgeführt worden sind. © Christian Ziegler, Max-Plack-Institut für Verhaltensbiologie

Carla Avolio, Max Planck Institute of Animal Behavior

Von Carla Avolio, Max Planck Institute of Animal Behavior - 06.08.2024