MitWissen oder: Was macht der Mistkäfer im Planetarium?
Die Verhaltenbiologin Gabriella Gall – Mitglied des Zukunftskollegs und des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Universität Konstanz sowie des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie - hat einen YouTube-Kanal (https://www.youtube.com/@MitWissen) für ein deutschsprachiges Publikum ohne wissenschaftliche Vorkenntnisse gestartet: „Jeden Mittwoch stelle ich euch bei "MitWissen" eine neue Studie aus der Verhaltensbiologie vor, die ich spannend, witzig oder erstaunlich - aber immer erhellend – finde“, erklärt Gabriella Gall auf ihrem neuen Kanal. In den ersten bereits veröffentlichten Videos erläutert sie beispielsweise, ob Fledermäuse die Rufe ihrer Schlafgruppe erkennen, wie gut Glasfrösche getarnt sind oder wie sich nachtaktive Mistkäfer orientieren.
Das Projekt wird vom forum.konstanz der Universität Konstanz gefördert.
Sigrid Elmer: Was hat Sie zu Ihrem Wissenschaftskanal motiviert?
Gabriella Gall: Es ist eigentlich ein wichtiger Teil der Arbeit von uns WissenschaftlerInnen, unsere Erkenntnisse einem breiteren Publikum zur Verfügung zu stellen. Immerhin werden wir zum Großteil über Steuergelder bezahlt, d. h. die SteuerzahlerInnen sollten auch Zugriff auf die Erkenntnisse haben, die wir finden. Das ist allerdings oft nicht der Fall, da die meisten Studien auf Englisch und dann auch noch in Fachsprache publiziert werden. Zudem sind nicht alle Studien 'OpenAccess' (dass man kostenlos darauf zugreifen kann), was es noch schwieriger macht, auf Studien zuzugreifen, selbst wenn man gut Englisch lesen und verstehen kann. Da ich mich selbst recht häufig auf YouTube verliere, dachte ich mir, dass man so eventuell ein paar Menschen erreichen kann, die sich zwar für das Thema Verhaltensbiologie interessieren, aber sonst keinen Zugriff auf die Information hätten.
In Ihren ersten drei Videos geht es um Fledermäuse, Glasfrösche und Mistkäfer. Was genau haben Sie über die Tiere herausgefunden?
Die ersten drei Studien befassen sich mit unterschiedlichen Themen der Verhaltensbiologie: Gruppenkoordination (Fledermäuse), Tarnung (Frösche) und Orientierung (Mistkäfer).
Spix-Haftscheibenfledermäuse stehen vor dem Problem, jeden Morgen einen neuen Schlafplatz finden zu müssen, da die von ihnen genutzten Blätter nur für einen Tag zum Schlafen geeignet sind. Zudem möchten die Fledermäuse gerne als Gruppe zusammenbleiben, d. h. sie müssen nicht nur ein geeignetes Blatt in einem Regenwald finden, um zu schlafen, sondern dabei die anderen Tiere ihrer Gruppe nicht verlieren.
https://www.youtube.com/watch?v=57nSIe_IfbIErkennen Fledermäuse die Rufe ihrer Schlafgruppe?
Was hat es mit den Glasfröschen und Mistkäfern auf sich?
Glasfrösche sind semi-transparent, d.h. der Rücken ist leicht pigmentiert, und es ist nicht ganz klar, ob diese Art der Transparenz wirklich bei der Tarnung hilft. Die Experimente der Studie zeigen aber, dass es doch recht hilfreich zu sein scheint, um den Kontrast zwischen Frosch und Hintergrund zu verringern, und ihn damit recht gut tarnt.
Mistkäfer sind dafür bekannt, sich aus Dung eine Kugel zu rollen und diese dann für sich oder ihre Nachkommen als Nahrung zu nutzen. Wenn sie einen frischen Dunghaufen finden, ist es nützlich, auf möglichst geradem Weg die Kugel von diesem wegzurollen, um andere Artgenossen zu meiden, für die es einfacher ist, eine bereits gerollte Dungkugel zu übernehmen, als sich selbst eine zu rollen. Die Studie befasst sich mit der Frage, wie sich Mistkäfer orientieren, um möglichst auf dem geradlinigsten (und damit schnellsten) Weg zu laufen.
https://www.youtube.com/watch?v=GgmR-5KedFkWie gut sind Glasfrösche getarnt?
Welches Studienergebnis hat Sie besonders verblüfft?
In den Studien geht es mir weniger um die Ergebnisse, als um die Methoden. Hier finde ich z. B. die Mistkäfer-Studie großartig, denn auf die Idee, Mistkäfer im Planetarium zu testen, um zu überprüfen, welche Himmelskörper sie nun wirklich zur Orientierung nutzen, muss man auch erst einmal kommen.
Wie schwer fällt es Ihnen, sich in die jeweiligen Forschungsvorhaben einzudenken und diese auch für ein nicht-wissenschaftliches Publikum aufzubereiten?
Der schwierigste Teil ist tatsächlich, das Ganze auf Deutsch und in relativ einfacher Sprache wiederzugeben, da ich nicht gewohnt bin, über die entsprechenden Themen auf Deutsch zu sprechen und die meisten Wörter mir nur auf Englisch einfallen. Thematisch ist es sehr interessant, Studien aus etwas anderen Gebieten zu lesen, die mir sonst nicht unterkommen würden.
"Es ist ein wichtiger Teil der Arbeit von uns WissenschaftlerInnen, unsere Erkenntnisse einem breiteren Publikum zur Verfügung zu stellen."
Gabriella Gall, Verhaltensbiologin und Mitglied des Zukunftskollegs sowie des Exzellenzclusters Kollektives Verhalten der Universität Konstanz
Sind es Studien, die nahe an Ihrem eigenen Forschungsprojekt liegen?
Nein, die Idee ist, den Kanal möglichst breit zu halten, d. h. möglichst alle Themenbereiche der Verhaltensbiologie zu beleuchten.
Wie finanziert sich das YouTube-Projekt?
Die ersten 15 Folgen des Kanals wurden vom forum.konstanz finanziert, danach habe ich noch keine Finanzierung, plane den Kanal aber trotzdem weiterzuführen.
Wer unterstützt Sie bei der Produktion?
Meine Hauptunterstützung ist Michael Feindler, der sich um das Intro, das Outro und das Schneiden gekümmert hat, und insbesondere darum, dass auch alles, was ich sage, von Fachfremden verstanden werden kann.
Was war Ihr persönliches Highlight?
Ein fertiges Video zu sehen, mit dem finalen Intro und Outro, die mein Kollege wirklich schön geschnitten hat!
https://www.youtube.com/watch?v=y6_P1GXunxEWie orientieren sich nachtaktive Mistkäfer?
Wie viele Videos haben Sie geplant?
15 Videos sind seitens des forum.konstanz geplant, aber ich habe bereits mindestens zehn weitere Studien herausgesucht, die ich präsentieren möchte. Idealerweise würde ich den Kanal gerne so lange fortführen wie möglich.
Und welche weiteren Formate in Sachen Wissenschaftskommunikation haben Sie noch im Sinn?
Gute Frage! Mir wurde heute vorgeschlagen, die Inhalte des YouTube-Kanals auch als Podcast zur Verfügung zu stellen. Ansonsten wäre es schön, etwas zu machen, wo man die Menschen direkt in Person trifft.
Das forum.konstanz ist ein Schlüsselprojekt in der Gesamtstrategie „Universität Konstanz – creative.together“, die Spitzenforschung und hervorragende Lehre durch interdisziplinäre Zusammenarbeit, kreative Freiräume und optimierte Rahmenbedingungen fördert. Das forum.konstanz bringt Menschen und Ideen zusammen und gestaltet Übergänge, wie zum Beispiel zwischen den Disziplinen, zwischen Forschung und Lehre sowie zwischen Universität und Gesellschaft.
Porträtfoto: Bruce Boatman