Ohne Wespenstich durch den Sommer

Stechende Insekten – besonders solche mit einer Vorliebe für unseren Picknickkorb – können die Schattenseite des Sommers sein. Mit etwas Wissen über die Biologie und das Verhalten von stechenden Insekten können wir aber in der Sommerzeit gut mit ihnen auskommen, sagt Bienenforscherin Dr. Morgane Nouvian, Mitglied des Exzellenzcluster „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ an der Universität Konstanz.
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Untrügliche Zeichen des Sommers sind warmes Wetter, Grillen im Garten – und lästige, schwarz-gelbe Insekten. Zu jeder Mahlzeit im Freien gesellen sie sich schnell als ungebetene Gäste hinzu. In der Sommersaison krabbeln sie über unser Essen und fallen in unsere Getränke:

Bienen, Wespen und Fliegen sind die großen Störenfriede in den warmen Monaten. Aber jede Art hat ihr ganz eigenes Verhalten, besonders was ihre Interaktion mit Menschen angeht. Essen lockt zum Beispiel nur Wespen an, und das Risiko, gestochen zu werden, lässt sich mit ein bisschen Wissen über die Biologie der Tiere minimieren.

„Wenn du sie nicht störst, stören sie auch dich nicht. Am besten ist es, ruhig zu bleiben und, falls möglich, wegzugehen“, sagt Biologin Dr. Morgane Nouvian, Research Fellow am Zukunftskolleg der Universität Konstanz, die das Stechverhalten von Bienen untersucht. Ein weiterer Trick ist, einfach mit den Insekten zu teilen: „Ihnen in gebührendem Abstand ein wenig Essen zu überlassen, kann sie genügend ablenken, so dass sie uns in Ruhe lassen“, so Dr. Nouvian.

Zur Person:
Dr. Morgane Nouvian leitet ein Forschungsteam im Bereich Social Neuroethology an der Universität Konstanz mit dem Ziel, das komplexe Entscheidungsverhalten von Bienen zu verstehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist ihre Abwägung, wann sie stechen und wann nicht. Um ihre finale Entscheidung zu treffen, müssen Bienen vielschichtige Informationen über den Zustand ihrer Kolonie, den Nektarfluss, Blumengerüche und weitere Faktoren verarbeiten. Innerhalb dieses Forschungsbereichs konzentriert sich Nouvian auf den Prozess der Informationsvermittlung durch andere Bienen und verbindet dies mit den Vorgängen im Gehirn der Insekten. Sie erforscht hierfür Neuromodulatoren wie Serotonin, die im Aggressionsverhalten vieler Arten – von der Fliege bis zum Menschen – eine wichtige Rolle spielen, um zu verstehen, wie diese dem letztendlichen Entschediungsverhalten und der Ökologie von Bienen zugrunde liegen.
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Stechverhalten

Laut Nouvian stechen Bienen und Wespen niemals, wenn sie nicht provoziert werden. „Ihr Verhalten ist immer defensiv“, schildert sie. „Sie wegzuscheuchen ist das Schlimmste, was wir machen können, da dies bei den Tieren ein Abwehrverhalten auslöst. Genauso werden sie stechen, wenn wir sie einfangen oder töten wollen“, sagt Nouvian.

Wenn sie eine Bedrohung für ihr Volk oder ihre Kolonie spüren, zeigen Bienen und Wespen auch noch anderes Abwehrverhalten.

„Wenn wir ihrem Stock oder Nest zu nahe kommen, schwirren sie umher, fliegen gegen den Angreifer, beißen, geben hohe Töne von sich – sie versuchen nach besten Kräften, die Person zu vertreiben.“

- Dr. Morgane Nouvian, Leiterin des Forschungsteams im Bereich Social Neuroethology

Wenn es dann doch zum Stich kommt, unterscheidet sich der Stechmechanismus von Bienen und Wespen. Der Stachel der Wespe ist glatt, weshalb der Stachel nicht in der Haut steckenbleibt – und die Wespe mehrfach stechen kann. Der mit Widerhaken versehene Bienenstachel hingegen bleibt in der Haut zurück und pumpt weiter Gift in unseren Körper, nachdem die Biene schon längst abgefallen ist. Beim Versuch, den Stachel aus der Haut zu ziehen, reißt die Biene sich diesen samt Giftblase aus dem Leib und stirbt deshalb nach dem Stechen. Aus diesem Grund sollten Bienenstachel immer so schnell wie möglich entfernt werden. Nouvian empfiehlt, den Stachel mit dem Fingernagel oder einer Pinzette wegzuschieben, ohne ihn zusammenzudrücken, damit nicht noch mehr Gift in den Körper gelangt.

Erforschung des Stechverhaltens

Dass Bienen beim Stechen ihr Leben opfern, stellt für Nouvian ein interessantes Verteidigungsproblem dar. „Um ihr Volk zu verteidigen, müssen die Bienen stechen und dafür mit ihrem Leben bezahlen, was wiederum hohe Verluste für das Bienenvolk bedeutet“, sagt sie. In ihrer Arbeitsgruppe Social Neuroethology erforscht die in Frankreich geborene Wissenschaftlerin, ob Bienen einen Mechanismus zur Vermeidung des „Überstechens“ haben. „Ich möchte das kollektive Verteidigungsverhalten der Bienen verstehen, genauer, wie sie es schaffen, das richtige Ausmaß für ihren Angriff zu bestimmen. Sie würden ja keine 1.000 Bienen opfern, wenn 100 ausreichen würden“, sagt Nouvian.

Bienen versus Wespen

Wenn an einem typisch deutschen Sommertag irgendwo ein stechendes, schwarz-gelb gestreiftes Insekt in der Nähe ist, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) oder die Deutsche Wespe (Vespula germanica). Völlig ungefährlich für den Menschen sind Schwebfliegen, die sich nur von Nektar und Pollen ernähren. Sie imitieren die schwarz-gelben Streifen der Bienen und Wespen zur Abwehr von Fressfeinden und können daher leicht mit ihnen verwechselt werden.

Bienen und Wespen, die beide zur Insektenordnung der Hautflügler zählen, sind leicht zu unterscheiden. Bienen sind haarig und eher bräunlich, Wespenkörper dagegen unbehaart mit leuchtend gelben Streifen. Die Unterschiede im Verhalten sind noch eindeutiger:

„Bienen kommen nicht her und belästigen uns nicht. Unser Essen interessiert sie nicht. Bienen fliegen nur nahe an Menschen heran, wenn jemand einen Duft trägt, der sie an eine Blume erinnert, oder die Farbe Blau trägt, die sehr anziehend auf die Tiere wirkt.“

- Dr. Morgane Nouvian, Leiterin des Forschungsteams im Bereich Social Neuroethology

Unser Essen lässt Bienen kalt, weil sie sich nur von einer Sache ernähren: „Sie sind hochspezialisiert auf Blumen, fressen Pollen als Eiweißquelle und trinken den Nektar zur Energieversorgung“, sagt sie.

Wespen dagegen können ihren Zucker- und Eiweißbedarf mit allem decken, was gerade zur Verfügung steht. „Wir können sie sowohl beim Trinken an Blumen beobachten, beim Fressen heruntergefallener Früchte als auch bei der Jagd auf Insekten. Genauso gut schmeckt ihnen aber auch der Schinken auf unseren Sandwiches für ihre Eiweißversorgung oder ein Glas Saft für die Energie“, sagt sie.

Doch Wespen, die sowohl in Deutschland als auch anderen Ländern der Nordhalbkugel verbreitet sind, sind nützliche Tiere – sowohl für uns Menschen als auch für die Umwelt. Wespen fressen viele Insekten, die wir als Schädlinge betrachten, zum Beispiel Fliegen und Raupen, und sie tragen ferner zur Bestäubung bei. „Wespen sind die wichtigsten Bestäuber von Efeu, das wiederum eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel ist“, zeigt Nouvian auf.

Eine Sommerplage

Wespenkolonien sind nur einen Teil des Jahres aktiv, von Frühling bis Spätsommer. Die Wespenköniginnen überwintern und kriechen im Frühling aus dem Boden, um eine neue Kolonie zu gründen. Aus den Eiern der Königin schlüpfen Larven, die zu geflügelten Wespen, den sogenannten Arbeiterinnen, reifen. Im Sommer sind draußen viele Arbeiterinnen beim Sammeln von Zucker zur eigenen Ernährung und Eiweiß zur Fütterung der Larven zu sehen. Gegen Ende des Sommers produziert die Königin keine Arbeiterinnen mehr, sondern stattdessen Männchen und neue Königinnen, die dann im Folgejahr die Produktion der Kolonie übernehmen.

Bienen hingegen verlassen schon früh im Frühling den Stock, um auf Nahrungssuche zu gehen. Im Gegensatz zu Wespen kann ihr Volk auch im Winter mit dem Honig überleben, den sie im Sommer hergestellt haben. Die Arbeitsbienen fliegen aus, sobald das Wetter warm genug ist. „Deshalb sehen wir Bienen schon im Frühling, aber Wespen erst später im Sommer“, sagt Nouvian.

Carla Avolio

Von Carla Avolio - 30.07.2020