Schwarmforschung für Terra X

Drei Konstanzer Forscher als Experten an der Dokureihe Schlaue Schwärme beteiligt

Schwärme begegnen uns alltäglich – und auch wir Menschen sind Teile von Schwärmen. Doch wie kommunizieren Schwärme untereinander und auf welche Weise treffen sie Entscheidungen? Die zweiteilige Dokureihe Schlaue Schwärme (Teil 1: Geheimnisvolle Sprachen; Teil 2 Rätselhafte Kräfte) von Terra X, ZDF, liefert Antworten. Iain Couzin, Heiko Hamann und Christoph Kleineidam vom Exzellenzcluster Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour (CASCB) der Universität Konstanz haben als Experten mitgewirkt. Sie bieten Einblicke hinter die Kulissen.

Es ist die Interaktion und Kommunikation zwischen den Individuen in Schwärmen sozialer Insekten, die Christoph Kleineidam seit über 30 Jahren fasziniert. Eben dieses Zusammenspiel bei Blattschneiderameisen wurde in der Dokumentation näher beleuchtet. Dafür hat der Neurobiologe eine über 30 Meter lange Ameisenstraße im Imaging Hangar, einem Schwarmforschungslabor des Exzellenzclusters CASCB, errichtet.

Experiment eine Woche lang begleitet

„Eine Kolonie von Blattschneiderameisen wählt die beste verfügbare Blattqualität für ihr Nest aus“, berichtet Kleineidam. „Die Kolonie als Kollektiv ist der Experte in diesem Auswahlprozess.“ Die Blattfragmente werden auf dem Weg von der Futterstelle bis zu ihrem Nest mehrmals von verschiedenen Ameisen überprüft. „Die wiederholte Bewertung durch viele Ameisen stellt sicher, dass die guten Fragmente im Nest landen und minderwertige Fragmente draußen bleiben“, so Kleineidam. Im Nest werden die Blattfragmente dann an den symbiotischen Pilz 'verfüttert' und die Ameisen ernähren sich ausschließlich von dem Pilz. Deshalb ist eine gute Blattauswahl so enorm wichtig. Um den Auswahlprozess zu erforschen, hat er mit Markern versehene Blattfragmente unterschiedlicher Qualität unter das Futter gemischt. Mit Hilfe der Marker kann er feststellen, welche Qualität präferiert und weiter getragen wird oder abgelehnt wird.

Versuchsaufbau: Qualitätskontrolle von Blattfragmenten auf dem Weg der Nahrungsuche von Blattschneiderameisen. Credit: Abschnitt eins / CASCB

Eine Woche lang hat das Filmteam Christoph Kleineidam bei diesem Experiment begleitet: „Die Kamerateams haben eine unglaubliche Arbeit geleistet. Ich habe selbst einige Erfahrung mit Makrofotografie, daher bin ich umso mehr begeistert von der Qualität der Bilder, die sie einfangen konnten“, sagt er.

Was Informatiker von Ameisen lernen können

Wie allgemeine Konzepte aus der Schwarmintelligenz in die Welt der Informatik übertragen werden, berichtet der Robotikforscher Heiko Hamann. Für Optimierungsverfahren in der Logistik gibt die Arbeitsteilung von Ameisenkolonien etwa Anregung. Gedreht wurde mit Heiko Hamann an einem vollautomatischen Containerterminal des Hamburger Hafens. „Das war absolut faszinierend zu sehen“, sagt Hamann. Allerdings bieten diese vollautomatisierten Arbeitsabläufe nicht nur Vorteile: „Daher war es mir wichtig, auch auf die Gefahren einzugehen, die damit verbunden sind, dass solche Algorithmen Produkte, Verbindungen zu Kollegen und potenzielle Freunde für uns empfehlen.“ Hamann hofft, dass junge Menschen angeregt durch den Film sich mit Schwarmintelligenz und Schwarmrobotik beschäftigen.

Wenn Dokumentationen zur Forschung anregen

Die positiven Reaktionen von den Zuschauern, die von der Wissenschaft fasziniert sind, hat Verhaltensbiologe Iain Couzin bei früheren Filmprojekten erfahren: „Das kollektive Verhalten von Tieren ist so visuell und intellektuell ansprechend“, sagt er: „Ich werde daher häufig von Leuten kontaktiert, die solches Filmmaterial gesehen haben und Fragen darüber stellen, wie und warum diese schönen Muster in der Natur auftreten.“ Er sieht es daher als eine außergewöhnliche Gelegenheit, mit Filmemachern zusammenzuarbeiten und auf diese Weise die Forschung mit der Öffentlichkeit zu teilen. In der Dokumentation berichtet er über neuste Erkenntnisse zur Entstehung von Heuschreckenplagen. Zudem demonstriert er, warum Fische dazu neigen, sich der Mehrheit eines Schwarms anzuschließen. Sein Team hat unsichtbare Federkräfte in Fischschwärmen entdeckt. Die erklären, wie der Schwarm Probleme lösen kann, die ein einzelner Fisch nicht lösen könnte. 

Iain Couzin, Sprecher des Exzellenzclusters CASCB verrät: „In meiner Kindheit und Jugend eröffneten mir solche Sendungen den Zugang zu faszinierenden Welten. So sah ich vor Jahren eine Sendung über einen Wissenschaftler, der Wanderameisen in den Regenwäldern Panamas untersuchte, was mit dazu beitrug, dass ich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug und tatsächlich auch bei genau dieser Person promovierte.“ Wer weiß, vielleicht schwärmen auch junge Zuschauer dieser Serie derart von Schwärmen, dass sie bald bei den Konstanzer Schwarmforschenden um eine Promotionsstelle anfragen.
 

Elisabeth Böker

Von Elisabeth Böker - 27.02.2023