Smartphone-Verbote am Arbeitsplatz
Smartphones sind für viele von uns zum allgegenwärtigen Begleiter geworden und erfüllen meist deutlich mehr als nur die bloße Funktion eines Telefons. Aufgrund der ständigen Verfügbarkeit von Online-Inhalten sowie Erreichbarkeit durch Messenger-Dienste und soziale Netzwerke per Smartphone ist das Ablenkungspotential dieses Alltagsgegenstandes hoch – auch im Arbeitsleben. Von vielen Arbeitgebern wird die Benutzung von Smartphones während der Arbeitszeit daher mit Argwohn betrachtet und getroffene Gegenmaßnahmen reichen von der Bitte um freiwilligen Verzicht bis hin zu per Betriebsvereinbarung festgehaltenen Smartphone-Verboten am Arbeitsplatz.
Doch wirken derartige Maßnahmen auch und wenn ja, wie?
Dieser Frage widmete sich nun ein interdisziplinäres Team aus Ökonomen und einer Sozialwissenschaftlerin der Universitäten Konstanz, Lüneburg und Vechta in einem umfassenden Feldversuch und begleitenden Umfragen zu dem Thema. Die in der Fachzeitschrift Experimental Economics veröffentlichte Studie zeigt, dass der Nutzen von Smartphone-Verboten am Arbeitsplatz von der Art der Tätigkeit abhängt: Bei standardmäßigen Routineaufgaben gab es eine messbare Steigerung der Effizienz durch „weiche“ Smartphone-Verbote, also Verbote, deren Missachtung nicht sanktioniert wird. Die Ausübung komplexerer Aufgaben verbesserten sie hingegen nicht eindeutig. Als mögliche Erfolgsfaktoren weicher Verbote ermittelte die Studie, dass sie die Wahrnehmung sozialer Normen verändern können, die Entscheidungsfreiheit bei den Beschäftigten verbleibt und diese Verständnis für die Maßnahmen zeigen.
Unternehmensleitungen sind sich uneins über Wirksamkeit
Viele Unternehmen halten die Ablenkung ihrer Beschäftigten durch die Nutzung privater Smartphones am Arbeitsplatz für problematisch. Da es sich bei Smartphones um Privatgegenstände handelt, ist ein striktes Verbot ihrer Nutzung jedoch schwierig umzusetzen und kaum zu kontrollieren, insbesondere in Zeiten vermehrter Home-Office-Nutzung. Es bleibt in den Betrieben daher häufig – wenn überhaupt – bei sogenannten „weichen“, nicht-überwachten Verboten, deren Missachtung folgenlos ist. Ein Beispiel für ein weiches Verbot wäre ein schriftlicher Appell an die Beschäftigten, das Smartphone während der Arbeitszeit nicht zu nutzen. Über die Wirksamkeit derartiger weicher Verbote herrscht jedoch große Uneinigkeit unter Führungskräften.
© Inka Reiter„Eine Umfrage, die wir in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer Berlin durchgeführt haben, hat ergeben, dass etwa 20 Prozent der befragten Unternehmen bereits mit weichen Smartphone-Verboten arbeiten.“
Jun. Prof. Dr. Adrian Chadi, Juniorprofessor für Personalökonomik und Personalwirtschaft an der Universität Konstanz, einer der Autoren der aktuellen Studie
Von diesen 20 Prozent wiederum hielt etwa die Hälfte die Maßnahmen für erfolgreich, die andere Hälfte bezweifelte jedoch, dass die Leistung der Beschäftigten durch weiche Smartphone-Verbote positiv beeinflusst wird.
Eine Telefonstudie als Feldexperiment
Um diesbezüglich mehr Klarheit zu schaffen, führten die Forschenden ein großangelegtes Feldexperiment durch: Mehr als 100 Studierende hatten hierbei im Rahmen eines echten Nebenjobs die Aufgabe, Listen mit Telefonnummern abzutelefonieren und mit bereitwilligen Personen Interviews für ein von dieser Studie unabhängiges universitäres Forschungsprojekt zu führen. Einem Teil der Studierenden wurde dabei ein weiches Verbot zur Smartphone-Nutzung während der Arbeitszeit erteilt, dem anderen wurde die private Nutzung des Smartphones hingegen nicht ausdrücklich verboten.
Ein Vergleich der Arbeitsleistung zwischen den Gruppen ergab, dass die Studierenden, denen die Nutzung des privaten Smartphones untersagt wurde, ca. zehn Prozent mehr Anrufe pro Arbeitsstunde tätigten als die Studierenden ohne Verbot. Auf die Anzahl an erfolgreich abgeschossenen Interviews wirkte sich das Verbot jedoch nicht eindeutig aus, was darauf hindeutet, dass der Erfolg eines Smartphone-Verbots am Arbeitsplatz von der Art der konkreten Tätigkeit abhängt.
„Bei weniger anspruchsvollen Routine-Aufgaben, wie dem Abarbeiten einer langen Liste von Telefonnummern, hilft es, wenn man nicht vom privaten Smartphone abgelenkt wird. Bei komplexeren, kreativen Aufgaben, wie dem Überzeugen fremder Menschen zur Teilnahme an einer Befragung, scheint eine gelegentliche Smartphone-Nutzung zwischen den Anrufen hingegen weniger schädlich zu sein.“
Jun. Prof. Dr. Adrian Chadi
Die Erfolgsgeheimnisse von „weichen“ Verboten
Anhand weiterer Befragungen gingen die Forschenden den Ursachen für die Wirksamkeit von weichen Smartphone-Verboten auf den Grund. Eine Überlegung war dabei, dass diese möglicherweise die Wahrnehmungen dessen verändern, was die Beschäftigten eines Unternehmens als sozial angemessen erachten. „Soziale Normen spielen im Kontext von Verboten eine wichtige Rolle. Weiche Verbote könnten dazu führen, dass die Beschäftigten es selbst als weniger angemessen ansehen, sich während der Arbeitszeit mit dem Smartphone zu beschäftigen – aufgrund gefühlten sozialen Drucks“, erläutert Chadi. „So dürfen die Unternehmen bei weichen Verboten auf einen Produktivitätsanstieg in der Belegschaft hoffen, ohne dass Strafen und Überwachung zu Misstrauen, Ablehnung oder negativen Produktivitätseffekten wegen sinkender Arbeitsmotivation führen.“
Tatsächlich ergab die Auswertung einer Nachbefragung der am Feldexperiment beteiligten Studierenden, dass die Gruppe mit weichen Smartphone Verboten deutlich seltener während der Arbeitszeit zum Smartphone griff als die Gruppe ohne Smartphone-Verbot. Das Verbot wurde also freiwillig eingehalten, was den beschriebenen Unterschied in der Arbeitsproduktivität erklären kann. Gleichzeitig war die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in beiden Gruppen sehr hoch. „Wahrscheinlich ist die Freiwilligkeit der Einhaltung von Regeln also gerade eines der Erfolgsgeheimnisse weicher Verbote“, vermutet Chadi.
Verständnis als weiterer Faktor
Als weiteren Faktor für den Erfolg des weichen Smartphone-Verbots in der Studie ermittelte die Nachbefragung, dass das Anliegen des Arbeitgebers für die Beschäftigten nachvollziehbar und das Verbot also auch aus deren Sicht sinnvoll war. Die Forschenden sehen hier sogar eine Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf andere Kontexte.
„Die wahrgenommene Sinnhaftigkeit eines Verbots sowie die Wahrung der autonomen Entscheidung über das eigene Verhalten sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur im Arbeitsplatzkontext entscheidende Erfolgsfaktoren und somit zielführender als eine Durchsetzung von Verboten mittels Zwang und Überwachung.“
Jun. Prof. Dr. Adrian Chadi