Tierische Allianzen
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Die Tierwelt ist voller faszinierender Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Tierarten: von Putzerlippfischen, die größere Fische von Parasiten befreien, über Vögel aus der Familie der Drongos, die Erdmännchen vor Fressfeinden warnen, bis hin zu Oktopussen, die gemeinsam mit Fischen auf Jagd gehen. Doch welche Mechanismen der Wahrnehmung, des Lernens oder der Entscheidungsfindung benötigen Tiere, um mit Nicht-Artgenossen zum gemeinsamen Nutzen zu kooperieren?
Um sich dieser Frage zu nähern, hat sich der Biologe Eduardo Sampaio vom Konstanzer Exzellenzcluster „Kollektives Verhalten“ und dem Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie mit den vergleichenden PsychologInnen Alexandra Schnell (Cambridge University; Großbritannien) und Piero Amodio (Stazione Zoologica Anton Dohrn; Italien) zusammengeschlossen. In ihrem aktuellen Artikel in Current Biology beleuchten sie mögliche kognitive Grundlagen von artübergreifendem Sozialverhalten am Beispiel der kooperativen Jagd von Oktopussen und Rifffischen.
Einige Oktopusse gehen mit verschiedenen Fischarten gemeinsam auf die Jagd. Dabei zeigen die Fische den Oktopussen gezielt die Verstecke von möglichen Beutetieren. Der Oktopus hilft dabei, die Beute aus ihren Verstecken zu treiben. Dadurch erhöhen sich die Chancen auf eine erfolgreiche Jagd für alle Mitglieder der ungewöhnlichen Jagdgesellschaft.Drongos, kleine Sperlingsvögel, begleiten Erdmännchen auf ihrer Nahrungssuche und warnen diese aus der Luft vor herannahenden Fressfeinden. Gelegentlich täuschen sie die Erdmännchen jedoch absichtlich, damit diese die Flucht ergreifen. Die Vögel stehlen dann die Nahrungstücke, die auf der Flucht zurückgelassen wurden.
Intelligenz aus einem neuen Blickwinkel
„Wenn Oktopusse und Rifffische gemeinsam auf Jagd gehen, koordinieren sie ihre Angriffe, um ihre Beute zu überlisten“, schildert Sampaio. Dabei schließen sich die Fische nicht einfach dem Oktopus an, sondern spielen eine aktive Rolle: Sie zeigen dem Oktopus, wo sich die Beutetiere verstecken. Der wiederum umschlingt die Beute dann mit seinen Armen oder scheucht sie aus dem Versteck, wodurch sich der potentielle Jagderfolg beider Arten erhöht. Dabei passt der Oktopus sein Verhalten je nach Jagdpartner flexibel an, und ein Fisch, der die Zusammenarbeit über die Maßen ausnutzt, riskiert unter Umständen sogar Prügel.
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„Partnerschaften wie diese stellen die traditionellen Vorstellungen von Intelligenz und Zusammenarbeit im Tierreich infrage.“
Eduardo Sampaio
Anhand von Themen wie Signalverarbeitung, Rollenspezialisierung und dynamischer Entscheidungsfindung zwischen Arten erörtern Sampaio und seine KollegInnen, wie artübergreifende Kooperationen über eine bloße Koordination hinausgehen. Durch die Untersuchung der kognitiven Anforderungen dieser Interaktionen eröffnen sie eine neue Perspektive auf die Intelligenz von Tieren, die artübergreifend kooperieren. „Soziale Komplexität, Problemlösung und Kommunikation entstehen evolutiv betrachtet eben nicht nur im eigenen Gruppenverband, sondern können auch von einer Notwendigkeit der Zusammenarbeit über Artgrenzen hinweg geprägt sein“, sagt Sampaio.
https://www.youtube.com/watch?v=uPFswbgyHc8Der gelbe Rifffisch (links oben im Bild) signalisiert dem Oktopus (unten rechts im Bild), wo sich das Beutetier versteckt hält. Der Oktopus macht sich daraufhin auf den Weg in Richtung Versteck. © Eduardo Sampaio
Originalpublikation: Cognition in multi-species sociality