Wissenschaft im Fünfeck
Der Gießberg ist kein Elfenbeinturm. Ein solch isolierter oder gar elitärer Ort wollte die Universität Konstanz als Reformuniversität nie sein. In den Werten ihrer Gründung ist der Wunsch nach dem Austausch mit der Gesellschaft und der Verbindung zur Stadt Konstanz und der gesamten Bodenseeregion tief verankert. Seit Jahrzehnten kommt die Universität mit unterschiedlichen Dialog- und Veranstaltungsformaten zum Gespräch in die Stadt, ist Impulsgeber bei Innovationen und prägt das kulturelle Leben in und um Konstanz.
Mit einem neuen Kooperationsprojekt von Universität, Universitätsgesellschaft, der HTWG und der Stadt Konstanz wird diese Tradition der gesellschaftlichen Teilhabe an wissenschaftlichen Themen und des Dialogs mit Konstanzer Bürgerinnen und Bürgern nun fortgeführt. Unter dem Arbeitstitel “Wissenskubus” ist aktuell ein Projekt in Planung, das ein Stückchen Universität als eine Art mobile Ausstellung an wechselnde Orte in Konstanz bringen wird.
Mögliche Standorte der Fünfecke
Die Idee hierzu kommt aus den Reihen des Präsidiums der Universitätsgesellschaft Konstanz. Nachdem die Fördergesellschaft zuvor den Bau des neuen Lesesaales der Bibliothek der Universität Konstanz unterstützt hatte, lag für ein neues Vorhaben mit größerem Fördervolumen die Priorität darauf, in die breite Öffentlichkeit von Stadt und Region zu wirken:
“Mit dem Lesesaal kommt unsere Unterstützung vor Ort an der Universität zur Geltung, für unsere nächste größere Projektförderung war es unser Anliegen, den Konstanzerinnen und Konstanzern und den vielen internationalen Besuchern unserer Stadt zu vermitteln, welch faszinierende und gesellschaftlich relevanten Themen an der Universität Konstanz in Forschung und Lehre behandelt werden”,
erläutert der Präsident der Universitätsgesellschaft, Björn Graf Bernadotte. Die Vorstellung war ein – möglicherweise begehbarer – Ausstellungspavillion, in dem Ausschnitte aktueller Konstanzer Forschungsschwerpunkte ästhetisch ansprechend und verständlich vermittelt werden.
Die Idee fand schnell Freunde und weitere Fürsprecher
Es zeigte sich, wie selbstverständlich, verlässlich und dynamisch die Verbindung zwischen Stadt Konstanz, zwischen HTWG und Universität Konstanz ist. Oberbürgermeister Uli Burchardt war sofort bereit, über einen Platz für die Universität in der Stadt nachzudenken. Warum aber nur einen, wenn man mehrere haben kann? Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn brachte den eleganten wie gewinnbringenden Vorschlag ein, den “Wissenskubus” als gebaute mobile Ausstellung zu konzipieren, die an wechselnde Orte der Stadt umziehen kann: Im Sommer zum Beispiel auf der Mainau oder dem Konzilvorplatz, im Winter vor das Münster.
Die Kommunikationsabteilungen von Universität und HTWG entwickelten eine Ausschreibung für den “Wissenskubus”, die Prof. Dr. Schlag im Wintersemester 2017/18 mit in sein Seminar nahm. In Kleingruppen entwarfen die Studierenden beeindruckend professionelle und kreative Konzepte und Modelle. Unter den Vorschlägen wurde die Vision von vier angehenden Architektinnen und einer Kommunikationsdesignerin einstimmig als Favorit auserkoren. “5x5” nennt sich das Gewinnerkonzept von Carla Weiland, Stella Kappeler, Carolin Hensolt, Stefanie Kleiser und Lisa Debus. Ebenso wie auf die fünf Schöpferinnen spielt dieser Titel auf die bauliche Gestalt ihrer Idee an: Fünf Fünfecke aus Aluminium umschließen eine modulare Bank aus hochwertigem und witterungsresistentem Holz.
Das Team “5x5” hat unterdessen erfolgreich die Bachelorprüfung absolviert und entwickelt das Konzept von Bank und Fünfecken in einer Arbeitsgruppe mit Expertinnen und Experten aus Universität, HTWG, Stadt und Insel Mainau weiter. Projekt- und Zeitplan sind ambitioniert: Voraussichtlich ab Frühsommer 2019 kann im Konstanzer Stadtraum nach der Installation Ausschau gehalten werden.Natürlich soll und wird der “Wissenskubus” großes Potenzial für das Standortmarketing haben: Die “Wissenschaft im Fünfeck” empfiehlt Konstanz als Forschungs- und Studentenstadt. Wenn die vielen Besucherinnen und Besucher im Sommer auf den Anlegern im Konstanzer Hafen aussteigen und ein paar Meter weiter in aktuelle und gesellschaftlich bedeutsame Themen der ansässigen Hochschulen einsteigen können, ist die Botschaft selbsterklärend: Zwischen See und Alpen lässt sich nicht nur hervorragend der Segelschein erwerben, sondern ebenso exzellent studieren.In Zeiten von alternativen Fakten und fake news ist die Bedeutung der Wissenschaft und einer glaubwürdigen und verlässlichen Wissenschaftskommunikation größer denn je. Fakt ist: Auch bahnbrechende Forschungsergebnisse sind selten nur eine Erfolgsgeschichte. Der Diskurs, kontroverse Meinungen oder Rückschläge sind es ebenso wert gelesen, gehört oder gesehen zu werden. Mit dieser Überzeugung bringt sich die Universität auch in das aktuelle Kommunikationsprojekt “Wissenskubus” ein.
In den Fünfecken, die mit einigem Abstand zueinander angeordnet sind und dadurch gewollt Offenheit zulassen, sind Flatscreens und Interaktionselemente eingebaut, die wechselnde und aktuelle Themen und Inhalte aus dem Portfolio von Universität und HTWG zeigen. “Wir wollten einen Ort schaffen, der sich leicht in die Umgebung einfügt und der zum Verweilen einlädt”, erklärt das Team “5x5”. Besucherinnen und Besucher können sich auf der Bank ausruhen, je nach Standort die Natur, das Stadtleben oder die Aussicht genießen und sind dabei eingeladen, in Wissenschaft und Forschung einzutauchen. Wie tief, bleibt jedem selbst überlassen.
Dieser direkte und selbstbestimmte Zugang ist es, der für die Wissenschaftskommunikation der Universität Konstanz entscheidend ist. “Wir möchten nicht über die Besonderheiten der Universität berichten oder mit unseren Erfolgen werben – die Themen und Inhalte selbst stehen im Mittelpunkt und erzählen ihre jeweils eigene Geschichte,” sagt die Sprecherin der Universität Konstanz, Julia Wandt. Die Gäste des “Wissenskubus” zu begeistern, für die Dauer des Verweilens die Faszination zu erleben und das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken, sind übergeordnete Ziele in der Wissenschaftskommunikation, die auch für dieses besondere Projekt greifen.
Auch auf Seite der Wissenschaft standen Türen und Netzwerke offen
Prof. Eberhardt Schlag (Kommunikationsdesign/Architektur, HTWG), Prof. Dr. Harald Reiterer und Prof. Dr. Falk Schreiber (beide Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft, Universität Konstanz) kennen sich aus diversen interaktiven Ausstellungsprojekten wie beispielsweise dem regional und überregional erfolgreichen “Rebuilt Palmyra”. Aus Erfahrung wissen sie, dass ein solch anspruchsvolles Kommunikationsprojekt die gegenseitige Expertise braucht und auch von frischem Wind in Form von studentischen Konzepten und Entwürfen nur profitieren kann.