Treibhausgas-Monitoring: aus dem Bodensee direkt ins Büro – ein Beispiel aus der Limnologie
Beim Abbau organischer Materialien entsteht in Gewässern Methan, ein potentes Treibhausgas. Es kann unser Klima stärker und kurzfristiger schädigen als Kohlenstoffdioxid. Bildet sich das Gas unter hohem Druck und bei niedrigen Temperaturen, zum Beispiel am Meeresboden, entstehen teils gewaltige „Felder“ aus Methanhydrat – auch Methaneis genannt. Diese beflügeln die Fantasie großer Energiekonzerne und RomanautorInnen gleichermaßen. Die einen sehen den Abbau der Methanhydratfelder als Lösung künftiger Energieprobleme, die anderen als Beginn von Katastrophenszenarien – wie der Autor Frank Schätzing in seinem Öko-Thriller „Der Schwarm“.
Entsteht das Gas näher an der Oberfläche und unter weniger Druck, zum Beispiel in Küstengewässern oder Seen, kommt es hingegen nicht zur Speicherung des Gases in Form von Methaneis. Stattdessen steigt das Methan direkt an die Wasseroberfläche und gelangt so in die Atmosphäre, wo es seine klimaschädigende Wirkung entfaltet.
© Hilmar HofmannDas Limnologische Institut der Universität Konstanz nutzt Messgeräte, die in den Wissenschaftlichen Werkstätten entwickelt und gebaut werden, um die Methangasfreisetzung im Bodensee zu erforschen. Das Foto zeigt eine dieser Messstationen am Grund des Bodensees im Bereich der Rheinmündung bei Altenrhein. An der Wasseroberfläche sind die Reflektionen von Methangas-Blasen zu sehen, die den Auffangtrichter der Messstation knapp verpasst haben.
Auch im Bodensee entsteht Methangas, wie anhand von permanent aufsteigenden Gasblasen an der Wasseroberfläche vielerorts beobachtet werden kann – zum Beispiel im Bereich der Rheinmündung bei Altenrhein. Wieviel und wann Gas in Form von Blasen freigesetzt wird, ist Teil einer Langzeitstudie, an der auch Forschende des Limnologischen Instituts der Universität Konstanz beteiligt sind. Die verwendeten Messgeräte entstanden in den Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität Konstanz und werden von den dortigen EntwicklungsingenieurInnen, ElektronikerInnen und MechanikerInnen fortlaufend weiterentwickelt.
© Ramona RaggDer unterwasserliegende Teil einer der Messstationen, bestehend aus Auffangtrichter und Auffangrohr mit integrierter Messsensorik, am Grund des Bodensees.
Das Grundprinzip der Messgeräte ist schnell erklärt: Große Trichter sammeln die Methangas-Blasen noch unter Wasser auf und leiten sie in ein Auffangrohr. Je mehr Gas sich in dem Auffangrohr sammelt, desto mehr Druck baut sich in dem Rohr auf. Dieser durch das Methangas im Rohr entstehende Druck wird dann über einen Sensor – ein sogenannter Differenzdrucksensor – mit einem Referenzdruck verglichen. „Die Messwerte des Sensors geben uns einen Eindruck über den Füllstand des Auffangrohres. Ist das Rohr voll, entlassen wir das Gas nach außen, der Zählerstand springt eine Einheit weiter, und das Rohr kann sich von neuem füllen“, erklärt Thomas Schuchhardt, Entwicklungsingenieur in der WWE. „Das Schöne an der Methode ist, dass die Messung unabhängig vom äußeren Wasserdruck funktioniert, sodass dasselbe Messprinzip in verschiedenen Wassertiefen eingesetzt werden kann“, führt er fort.
https://www.youtube.com/watch?v=rzSMy-ShmiwUnterwasser-Video der Messaperatur: Zu Beginn des Videos sieht man die vom Seegrund aufsteigenden Methanblasen, die vom Trichter eingesammelt werden. In der zweiten Ansicht sieht man das angeschlossene Auffangrohr und die über die gesamte Trichterfläche gesammelte Gasmenge in der Detailansicht. © Ramona Ragg
Doch wie kommen die Messwerte aus dem See zu den WissenschaftlerInnen? Auch hierzu haben sich die ExpertInnen der WWE Gedanken gemacht: Die Sensordaten werden zunächst verstärkt und dann über eine Kabelverbindung in Richtung Wasseroberfläche weitergeleitet. Dort sind in einer Schwimmboje die Energieversorgung der Messstation, eine Vorrichtung zur Aufzeichnung der Daten sowie ein Funksender verbaut. „Der Funksender übermittelt die Daten aus den Messgeräten regelmäßig an Empfangsstationen in der Region, von denen sich eine auf dem Dach der Universität Konstanz und eine weitere am Limnologischen Institut befindet“, erklärt Harald Kautz.
Dabei wird nicht nur die Methangas-Menge übermittelt, sondern auch wichtige Betriebsdaten, wie zum Beispiel der Akkustand des jeweiligen Messgeräts. Das vereinfacht die Wartung und Instandhaltung. Harald Kautz führt aus: „Die Forschenden bekommen also sämtliche wichtige Daten nahezu in Echtzeit an den Schreibtisch geliefert und sparen sich dadurch unnötige, aufwändige Ausfahrten auf den See.“ Tatsächlich können die Messapparaturen so für viele Wochen autonom und wartungsfrei arbeiten und – bei gezielter Instandhaltung, wenn notwendig – über mehrere Jahre hinweg wichtige Forschungsdaten liefern.
© Jorge Encinas-FernandezNicht nur im Bodensee, sondern zum Beispiel auch in der Schwarzenbachtalsperre im Schwarzwald kamen die Methan-Messgeräte bereits zum Einsatz. Zur Stromerzeugung wird hier Wasser aus dem Reservoir der Talsperre durch Turbinen abgelassen. Dabei sinkt im Reservoir der Druck auf das Sediment und es bilden sich verstärkt Methangas-Blasen. Durch Langzeitmessungen in der Talsperre konnte die Arbeitsgruppe um Frank Peeters in einer Studie zeigen, dass bei halbtäglichem Wechsel zwischen Stromerzeugung durch Turbinierung und Pumpbefüllung des Reservoirs im Schnitt weniger Methangas freigesetzt wird, als bei einem Betriebsmodus mit mehrtägigen Speicher- und Turbinierungsintervallen. Hieraus ergeben sich Handlungsempfehlungen für einen umweltverträglicheren Pumpspeicherbetrieb.
Für das Limnologische Institut der Universität Konstanz ergeben sich so aus dessen geographischer Lage am Ufer des Bodensees und dem Zugriff auf die Serviceangebote der Wissenschaftlichen Werkstätten einzigartige Synergien. „Die Wissenschaftlichen Werkstätten und ihre ExpertInnen sind ein echter Glücksfall für uns. Wir haben nicht nur den Bodensee vor unserer Haustür, sondern bekommen von den Wissenschaftlichen Werkstätten zusätzlich schnell und unkompliziert Messapparaturen gefertigt, die genau an unsere Anforderungen angepasst sind und die man nirgendwo kaufen kann“, erläutert Frank Peeters, Professor am Limnologischen Institut der Universität Konstanz, der mit seiner Arbeitsgruppe „Umweltphysik“ unter anderem zur Bedeutung physikalischer Prozesse für aquatische Ökosysteme und zu Treibhausgasen in Seen forscht. Er fügt hinzu: „Es wäre unmöglich, ähnliche Projekte mit externen DienstleisterInnen durchzuführen. Die Geräte werden in enger Zusammenarbeit zwischen uns Forschenden und den Werkstätten ständig angepasst. Diese gute Abstimmung und Flexibilität in der Geräteentwicklung wären mit anderen DienstleisterInnen kaum möglich und nicht finanzierbar.“
Tatsächlich sind die Aufträge für die Wissenschaftlichen Werkstätten mit der Fertigung einer Messapparatur häufig nicht abgeschlossen, sondern es gibt fortlaufende Anpassungen und Weiterentwicklungen in Rücksprache mit den beteiligten Forschenden. „Unsere Methan-Messstationen kamen ursprünglich in Ufernähe, in wenigen Metern Tiefe zum Einsatz. Später entstand dann der Bedarf, sie auch auf 70 Meter Tiefe und darunter einzusetzen. Weil in den Messstationen verschiedenen Materialien verarbeitet sind, spielen Wassertemperatur und Wasserdruck dann plötzlich entscheidende Rollen für die Stabilität der Konstruktion, da es an den Materialübergängen leicht zu mechanischen Spannungen kommen kann“, erklärt Ingmar Jäger aus der WWM, der ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist. „Da mussten wir einiges an Lehrgeld zahlen, bevor die Messstationen letztlich auch in diesen Tiefen wasserdicht waren“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Für die Prototypenentwicklung und Fertigung elektronischer Geräte in kleinen Stückzahlen besteht in der WWE die Möglichkeit zur Bestückung von Leiterplatten. Mithilfe des halbautomatischen Bestückungssystems verbaut Sandra Büglmeier hier gerade Bauteile, die kleiner sind als ein Kubikmillimeter. Die optische Kontrolle erfolgt über die Computermonitore am oberen Bildrand.Entwicklungsingenieur Marcel Indlekofer (links) und Feinwerkmechaniker Florian Richter (rechts) besprechen den Prototyp einer „intelligenten“ Klappe zur Steuerung des Zugangs zu Futterboxen für Freilandexperimente. Die batteriebetriebene Apparatur erkennt über Sensoren die Anwesenheit und Identität einzelner Tiere. Steuerung der Klappe und Übertragung der Versuchsdaten erfolgen kabellos über WLAN und Langstreckenfunk.
Aktuell arbeiten die EntwicklungsingenieurInnen der Wissenschaftlichen Werkstätten an einer weiteren Generalisierung der Messstationen. Ziel ist es, dass das System zur Funkübertragung der Daten sowie die Energieversorgung mit verschiedene Sensortypen nutzbar wird. „Derzeit verwenden wir für die Methangas-Messung einen Differenzdrucksensor. In der nächsten Entwicklungsstufe wird das Sender-System auch andere Sensoren erlauben und automatisch erkennen, welche Art von Daten erfasst und verarbeitet wird“, gibt Harald Kautz einen Ausblick. Die Messstationen werden dann in der Lage sein, neben den Methangas-Mengen zusätzliche Umwelt-Daten, wie PH-Wert, Temperatur und Sauerstoffsättigung des Seewassers, direkt und bequem zu den Forschenden zu übermitteln.
Neben der Planung, Entwicklung und Fertigung nicht käuflicher elektronischer Geräte einschließlich Platinen und der benötigten Software fallen noch weitere Dienstleistungen in das Serviceangebot der Wissenschaftlichen Werkstätten Elektronik (WWE) mit ihren 16 MitarbeiterInnen und sechs Auszubildenden. Hierzu gehören die Reparatur und Betreuung elektronischer Geräte und Anlagen – wie Analysegeräte, PCs oder elektrische Laborgeräte – sowie die Elektronikmaterialausgabe, fachtechnische Beratung, Bauteilrecherche und experimentelle Laborunterstützung.