Kreativ durch die Krise

In In Forschung und Lehre zeigt sich aktuell besonders deutlich, dass der Reformgedanke der Universität Konstanz insbesondere auch in Krisenzeiten sinnstiftende Orientierungshilfe und lebendiges Vorbild sein kann

Das Coronavirus hat in den vergangenen Wochen und Monaten auch die Universität Konstanz fest im Griff gehabt: Die Aussetzung des Studienbetriebs, die Einstellung von Forschung und Lehre vor Ort, der Eintritt in den Notbetrieb und der damit verbundene Wechsel ins Homeoffice – für viele Beschäftigte, insbesondere für diejenigen mit Betreuungsaufgaben, eine ungewohnte und vielfach auch belastende Situation. Einfach hat es uns das Coronavirus – mit allen Einschränkungen, die damit nach wie vor verbunden sind – nicht gemacht. Und doch birgt die Krise auch Chancen. Die Chance, einerseits im Austausch mit der Gesellschaft neues Wissen zu generieren, und andererseits die Möglichkeit, neue Lehr-, Lern- und Arbeitsweisen zu erproben, die auch mit Blick auf den digitalen Wandel zukunftsweisend sein können.

Digitales Sommersemester: Experimentierfreude, keine Perfektion

Insbesondere dem Lehrpersonal und den Studierenden wird in dieser beispiellosen Krisensituation viel Flexibilität, Kreativität und Eigeninitiative abverlangt. Mit ihrem Konzept für ein digitales Sommersemester hat die Universität Konstanz jedoch bereits früh die Grundlage für die Bewältigung der Situation geschaffen und den Studierenden seit dem 20. April 2020 die Aufnahme oder Weiterführung ihres Studiums in Konstanz ermöglicht. „Pragmatismus, Improvisation und Learning-by-Doing“, so die Devise, die die Rektorin der Universität Konstanz, Prof. Dr. Kerstin Krieglstein, für das aktuelle und in jeder Hinsicht außergewöhnliche Sommersemester 2020 an der Universität Konstanz ausgegeben hatte.

Mit dem Ziel, die durch den Ausbruch des Coronavirus verursachten potenziellen Nachteile für die Studierenden so gering wie möglich zu halten und die Lehrenden so gut und flexibel wie möglich beim Einstieg in die online-basierte Lehre zu unterstützen, wurde auf der Website der Universität Konstanz unter uni.kn/elearning ein eigenes, umfassendes Informations- und Beratungsangebot geschaffen. Die Informationen zum Thema digital unterstützte Lehre im Sommersemester 2020 versorgten Lehrende mit Materialien von der Planung bis hin zur Durchführung von digitalen Lehrveranstaltungen.

Gleichzeitig dienen die zur raschen Umsetzung online-basierter Vorlesungs- und Lehrformate ergriffenen Maßnahmen als Testfeld zur Beantwortung von konzeptionellen und technischen Fragestellungen. Fragestellungen, die auch im Rahmen der umfassenden E-Science-Strategie der Universität Konstanz für Forschung, Lehre und Verwaltung zu adressieren sein werden. Was seitens der Lehrenden und auch der unterstützenden Dienste nötig war, um das digitale Sommersemester kurzfristig zu ermöglichen – und warum der „Sprung ins kalte Wasser“ auch für die Zeit nach Corona zukunftsweisend sein kann – erklärt Prof. Dr. Michael Stürner, Prorektor für Lehre an der Universität Konstanz, im Interview.

Dementsprechend ist am 7. Mai 2020 der neue und deutschlandweit einzigartige „Advanced Data and Information Literacy Track“ (ADILT) der Universität Konstanz mit einer online-basierten Ringvorlesung gestartet. Damit wird allen Studierenden der Universität, unabhängig von ihrem Fachstudiengang, ein forschungsorientiertes, studienbegleitendes und fachübergreifendes Weiterbildungsprogramm zur Daten- und Informationskompetenz angeboten. Ein reflektierter Umgang mit digitalen Informationen spielt sowohl in Wissenschaft und Forschung als auch im alltäglichen Leben eine entscheidende Rolle. Als integraler Bestandteil der E-Science-Strategie trägt dieser neue Track daher ganz entscheidend zur Weiterentwicklung der Lehre an der Universität Konstanz bei.

Forschung zur Bewältigung der Corona-Krise

In den vergangenen Wochen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Konstanz aus den verschiedensten Fachdisziplinen einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung des Coronavirus sowie zur Erforschung der gesellschaftlichen und sozialen Begleiterscheinungen der Pandemie geleistet.

Im medizinischen Bereich stellen Forschende der Universität ihre Expertise insbesondere im Bereich von medizinischen Anwendungen zur Verfügung, beispielsweise indem sie bei Analyseverfahren zum Nachweis des Coronavirus unterstützen, Tools zur Visualisierung und effizienten Nutzung von Intensivbett-Kapazitäten sowie zur rechtzeitigen Erkennung von Corona-Infektions-Hotspots entwickeln oder sich an der computergestützten Rekonstruktion der molekularen Prozesse der Virus-Wirt-Interaktionen beteiligen.

Bereits seit einigen Wochen untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Konstanz in ihrer Forschung außerdem die gesellschaftlichen und sozialen Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie, die aktuell verstärkt in den Fokus der bundesweiten Debatten um eine weitere Lockerung der Einschränkungen treten.

An internationalen Studien zum Leben mit dem Coronavirus und zu den Auswirkungen auf Leben und Arbeit sind unter anderem die Humboldt-Professorin Dr. Anke Hoeffler vom Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft sowie Prof. Dr. Ulf-Dietrich Reips vom Fachbereich Psychologie beteiligt. Mit ihrer Studie EUCLID zur öffentlichen Wahrnehmung der Corona-Situation möchten Prof. Dr. Britta Renner, Prof. Dr. Harald Schupp und Prof. Dr. Daniel Keim der öffentlichen Diskussion zur Corona-Situation eine durch fortlaufende Befragungen fundierte Faktengrundlage geben. Informationen zur Wahrnehmung des Krisenmanagements in Politik und Verwaltung liefert darüber hinaus die aktuelle Forschung von Jun.-Prof. Dr. Steffen Eckhard aus der Politik- und Verwaltungswissenschaft.

Die besondere Situation in Konstanz haben der Soziologe Prof. Dr. Thomas Hinz und die Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Axinja Hachfeld im Blick. Mit einer Sondererhebung der Konstanzer Bürgerbefragung sowie einer Umfrage unter Eltern und Lehrkräften zur Schulschließung liefern sie wichtige Erkenntnisse zur lokalen Erfahrung mit dem Leben und Lernen in Zeiten von Corona.

Mit dem Thema Arbeit im Homeoffice, speziell mit der Arbeitsleistung und der psychischen Verfassung von Menschen, die aufgrund der Corona-Krise im Homeoffice arbeiten, beschäftigt sich zudem der Konstanzer Organisationsforscher Prof. Dr. Florian Kunze.

Diese und weitere Forschungsprojekte sind auf der Website der Universität Konstanz unter uni.kn/coronavirus veröffentlicht, die regelmäßig aktualisiert wird.

Expertise für die Gesellschaft

Bei der Generierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in den oben genannten und weiteren Bereichen steht insbesondere auch deren Vermittlung in die Gesellschaft hinein im Vordergrund: Per Zeitungskolumne, wie im Fall des Konstanzer Soziologen Prof. Boris Holzer, Ph.D., oder in einer neu aufgelegten Interview-Reihe im Online-Magazin campus.kn zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf verschiedene Lebensbereiche und Erfahrungswelten.

Professorinnen und Professoren verschiedener Fachdisziplinen und des Konstanzer Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ diskutieren in dieser Reihe in Wort und Schrift, wie sich die Corona-Krise in Deutschland und Europa auswirkt. Prof. Dr. Dirk Leuffen legt im Interview unter anderem dar, was das Coronavirus für den Zusammenhalt in der Europäischen Union bedeutet. Prof. Dr. Marius Busemeyer erklärt, warum die Corona-Krise soziale Ungleichheiten verstärken wird. Die Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Axinja Hachfeld setzt sich kritisch mit der Entscheidung der Bundesregierung zur schrittweisen Öffnung der Schulen auseinander und bemängelt in diesem Zusammenhang auch drohende Rückschritte bei der Bildungs- und Geschlechtergerechtigkeit. Der Medienforscher Prof. Dr. Andreas Jungherr erklärt, wie sich Des- und Fehlinformationen im Zusammenhang mit dem Coronavirus verbreiten und warum sie so gefährlich werden können. Die Verwaltungsforscherin Prof. Dr. Ines Mergel spricht darüber, welche Lehren die Krise für die öffentliche Verwaltung bereithält und welche Chancen sie mit Blick auf die Digitalisierung eröffnen kann.

Die Situation um das Coronavirus bleibt auch im Mai größtenteils unübersichtlich. Während einige Länder bereits den Sieg über die Pandemie erklärt haben und auch in Deutschland weitere Lockerungen auf Bundes- und Länderebene vollzogen werden, bleibt es schwer abzusehen, wie sich die Situation in Konstanz, in Deutschland und global entwickeln wird. Was die Corona-Krise sehr klar gezeigt hat, ist, dass die Mitglieder der Universität Konstanz gemeinsam im Sinne des ihr eigenen Reformgedankens an Herausforderungen wachsen und die damit verbundenen Chancen ergreifen. Das aus der Krise erwachsene Momentum auch in Zukunft für die innovative Ausgestaltung von Forschung, Lehre und Verwaltung zu nutzen wird zu den Aufgaben der kommenden Wochen und Monate gehören.

Die umfassende E-Science-Strategie der Universität Konstanz, die als integraler Bestandteil des Konzeptes „Universität Konstanz – creative.together“ in der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert wird, entwickelt die modernen und effizienten Arbeits- und Lernumgebungen der Universität Konstanz für Forschung, Lehre und Governance weiter. Sie gewährleistet eine herausragende Daten- und Informationsstruktur sowie optimierte Workflows auf allen Ebenen. Dazu zählen unter anderem der Ausbau von Forschungsdatenmanagement und Open Science, die Weiterentwicklung digitaler Lehr- und Lernumgebungen sowie ein serviceorientiertes Business Intelligence Competence Centre (BICC) zur Unterstützung des strategischen Managements. In der Lehre fokussiert die E-Science-Strategie auf die fächerübergreifende Vermittlung von Daten- und Informationskompetenz für Studierende aller Fachrichtungen.


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Tullia Giersberg

Von Tullia Giersberg - 13.05.2020

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